Die mit der Couch tanzt: Pilkentafel zeigt „Knautschcouch“

Teilen

„Knautschcouch“, der Titel des neuen Stücks der Flensburger Theaterwerkstatt Pilkentafel, klingt lustig, ist es aber gar nicht. Die Couch ist eigentlich ein Sofa, und dieses Möbelstück fungiert für die Hauptperson Lotta gleichermaßen als Rückzugsort, Sportgerät und Tanzpartner. Tatsächlich manchmal auch als Sitzmöbel.

Doppelte Premiere in der Pilkentafel

Elisabeth Bohde von der Pilkentafel Flensburg führte Regie. Foto: Pilkentafel

Die Aufführung in der Theaterwerkstatt Pilkentafel war eine doppelte Premiere. Zum ersten Mal wurde das neue Stück „Knautschcouch“ dem Publikum gezeigt, und zum ersten Mal agierte Lotta Bohde ganz allein auf der Spielfläche, die in dem winzigen Theater in Rufweite des Hafens nicht unbedingt eine Bühne ist. Ihre Mutter Elisabeth Bohde, die Gründerin des Theaters, führte dabei Regie. Sie hatte dies auch zuvor schon in Stücken getan, in denen Lotta mitspielte, aber dann jeweils in Ensembles mit mehreren Akteuren. Nun fand also erstmals eine Mutter-Tochter-Kooperation in dem 1981 gegründeten Theater statt, das seit 1998 die Räume einer früheren Schlosserwerkstatt in der Flensburger Altstadt als Raum für seine Produktionen nutzt.

Doch worum geht es in dem Stück „Knautschcouch“? Lotta spielt sich selbst, heißt in dem Stück logischerweise Lotta und sie ist es auch, die vom Rednerpult aus in das Stück einführt und dabei von sich in der dritten Person spricht. Lotta hört Nachrichten, ebenso wie das Publikum, während es seine Plätze einnimmt. Es geht um Trump und wie er ausprobiert, ein Diktator zu sein, um Waldbrände und Überschwemmungen, um das Erstarken der Rechten in Europa, um das Attentat von Aschaffenburg. Es sind überwiegend schlechte Nachrichten, die Lotta hört, und das macht ihr zu schaffen.

Kämpferische Choreografie auf der Couch

Lotta Bohde hört Nachrichten – und zieht die Boxhandschuhe an. Foto: Ina Steinhausen

Lotta leidet. Die Weltlage schlägt ihr aufs Gemüt, sie muss sich abreagieren. Sie wälzt sich wie in Agonie auf dem Sofa, wirft sich rücklings über die Arm- oder Rückenlehne, schlägt einen Purzelbaum, der in einen Sturz vom Sofa auf den Fußboden mündet. Es wirkt wie eine kämpferische Choreographie.

Aus dem Kühlschrank, der wie das Sofa auf vier Rollen steht, holt sie ein paar rote Boxhandschuhe, zieht sie über und beginnt, auf das Sofa einzuboxen. Ihre Mimik verrät Wut, Angst, Verunsicherung, ja Verzweiflung. Sie überlegt laut, ob es besser wäre, Trump anzuschreien, aber der ist wohl in Washington.

Aus Boxkampf wird Tanz

Aus dem Boxkampf gegen das Sofa wird ein Pas-de-deux mit dem Sofa. Mit der Choreographin Silvia Ehnis Perez Duarte (Tanzhaus NRW) hat Lotta eine Choreographie entwickelt, die gleichermaßen Elemente aus Tanz und Sport vereint. Aus dem verzweifelten Solo auf dem Sofa geht die Solistin über in einen fast schon verspielten Gruppentanz mit Sofa, Kühlschrank und Rednerpult, die sie abwechselnd in Rotation versetzt und dabei versucht, immer alle gleichzeitig in Bewegung zu halten. Was einer sportlichen Leistung gleichkommt und in einen rasant kreiselnden, fast schon halsbrecherischen Pas-de-deux mit dem Sofa endet. Szenenapplaus!

Doch das neue Stück lebt von der Vielfalt der Darstellungsformen. Plötzlich sitzt Lotta wieder zusammengekauert und Nägel kauend auf dem Sofa, linst herüber zu ihrem Handy, greift es und beginnt, etwas zu tippen. Nacheinander schickt sie Sprachnachrichten an ihre Freundinnen Nele, Sarah und Ruth. Berichtet von ihrer seelischen Notlage, von all den üblen Nachrichten aus der Welt, die sie verzweifeln lassen. 

Am Ende holt sie ein ebenfalls rotes Mikrofon aus dem Kühlschrank, prüft mit dem Finger klopfend die Verbindung, gibt dem Toningenieur ein Zeichen, woraufhin eine trocken-fetzige Rockmusik aus den Lautsprechern kommt. Dann beginnt sie, live zu singen und zu rappen: „Lotta weiß das alles, Lotta fühlt das alles“. Natürlich bleibt sie auch bei diesem Abschlusssong in Bewegung, umkurvt Sofa, Kühlschrank und Rednerpult. Zum Schluss erklingen wieder Nachrichten, ganz aktuell von der Münchner Sicherheitskonferenz.

„Knautschcouch“ ist ein ebenso beklemmendes wie unterhaltsames Stück aus der und für die Jetztzeit. Es ist ein Stück, in dem Worte und Bewegung in einem guten Gleichgewicht miteinander stehen. Die 32-jährige Lotta Bohde läuft zu großer Form auf und bringt ein Thema zur Sprache, das jeder und jedem in mehr oder weniger heftiger Intensität zu schaffen macht. Das Kopfkino wird zum Bewegungstheater, das Publikum ist begeistert.

Nächste Termine

Weitere Vorstellungen sind am 20., 21., 22., 27. und 28. Februar sowie am 1. März, jeweils um 20 Uhr.

Unterstützen Sie kulturkanal.sh
– für eine lebendige Kulturszene

Vielen Dank, dass Sie kulturkanal.sh nutzen. Unser Online-Feuilleton für Schleswig-Holstein bringt Ihnen spannende Inhalte und aktuelle Berichte über das vielfältige kulturelle Leben in unserer Region.

Um weiterhin unabhängige und hochwertige Inhalte anbieten zu können, brauchen wir Ihre Unterstützung.

Mit einer freiwilligen Zahlung helfen Sie uns, durch unsere Berichterstattung die Kultur vor Ort zu fördern.

Jeder Beitrag zählt – machen Sie mit und stärken Sie die regionale Kultur!

Themen

Teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesen

Neueste Artikel