Lesestoff für alle – per Bus wird geliefert

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In rund 600 Gemeinden in Schleswig-Holstein gibt es 2.000 Haltestellen der besonderen Art. Hält der ersehnte Bus, so kann man zwar einsteigen, aber nicht mitfahren. Warum? Hier stoppt immer pünktlich der Bücherbus. Dieser ist nach einem ausgeklügelten Fahrplan unterwegs, denn Jung und Alt warten schon, dass sie ihren ausgelesenen Stoff gegen neuen tauschen können.

Im ganzen Land sind zwölf Fahrbüchereien unterwegs. Sie versorgen in neun Kreisen mehr als 580.000 Menschen. Das Ziel ist klar: Gibt es keine stationäre Bücherei vor Ort, in die Wissensdurstige zum Ausleihen, Lesen oder Anschauen gehen können, kommt das Wissen zu den Menschen bis ins Dorf.

Diese drei Leseexperten wissen genau, wo es die neuen Comics zum Ausleihen gibt… Foto: Büchereizentrale Schleswig-Holstein

Nehmen wir das Beispiel Ostholstein. In der Kreisstadt Eutin hat die „Fahrbücherei 14“ ihren Sitz.

Volker Andresen steuert die „Mobile Wissenstankstelle Ostholsteins“, wie der Bücherbus liebevoll genannt wird, im Drei-Wochen-Rhythmus zu den 126 Haltepunkten in 22 Gemeinden des Kreises – natürlich sicher und pünktlich. Da geht es nicht mal rasch über eine breite Landesstraße. Oft sind es nur Kreisstraßen, auf denen Volker Andresen mit dem Bus fährt, aber direkt zu den Haltepunkten gibt es dann doch Herausforderungen: nur die schmale Gemeindestraße führt zum Ziel. Aber er meistert auch das mit Bravour. Er parkt das große Gefährt so, dass alle sicher ein- und aussteigen können. Und als Belohnung sieht er auch gleich in die freudig lächelnden Gesichter, bevor der Lesestoff getauscht wird.

An Bord sind rund 3.000 Medien, also Bücher, Zeitschriften, DVDs und CDs. Ansprechpartnerinnen für die vielen großen und kleinen Menschen sind Fahrbücherei-Leiterin Ingrid Tiarks-Gütte oder Tamara Hoffmann (Bibliothekarische Fachkraft). Sie fragen nach Wünschen, schauen, ob die Titel an Bord sind oder bestellen und bringen sie zum nächsten Bücherbus-Termin mit. Über 62.000 mal wurden die Medien im vergangenen Jahr von der „Mobilen Wissenstankstelle Ostholsteins“ ausgeliehen.

„Die Förderung der Kultur einschließlich des Sports, der Erwachsenenbildung, des Büchereiwesens und der Volkshochschulen ist Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände.”

Artikel 13 Abs. 3 der Landesverfassung von Schleswig-Holstein

Martina Timm ist in Eutin im Innendienst. Hier wird der Bestand gepflegt. Das sind mit den 3.000 Medien im Bus und ca. 17.000 in Eutin rund 20.000 Bücher, Zeitschriften, DVDs und CDs. Das ist der Basisbestand. Darüber hinaus wurden im vergangenen Jahr über 2.000 neu erschienene Medien angeschafft. Alte oder zerlesene Exemplare mussten aus dem Bestand genommen werden. Das hört sich nach Handarbeit an.

Nun, ja bedingt. Jedes Medium, ob Buch oder DVD, braucht erst einmal einen Schutzumschlag, darunter liegen QR-Code, Barcode und die Buchnummer mit den Namen des Standortes der Fahrbücherei und am Rücken unten die ersten vier Buchstaben des Autorennamen. Oben steht dann noch das Genre: Krimi, Thriller, Politik oder Liebe.  Damit nichts verloren geht, Bücher schnell gefunden werden oder zeitnah in der Büchereizentrale in Rendsburg bestellt werden können. Und ganz wichtig, das Team weiß, wer welches Medium, wann und bis wann geliehen hat, denn alles ist auch im Computer eingespeist.

Der Bus ist schon sicher geparkt. Fahrbücherei-Leiterin Ingrid Tiarks-Gütte und Volker Andresen haben den Computer gecheckt. Rechts, das Regal ist noch leer. Hier werden die zurückgegebenen Bücher „zwischengelagert“, bevor sie in Eutin für die Wiederausleihe vorbereitet werden. Foto: Gerd Warda.

Zurück in unseren Bücherbus. Hier hat Volker Andresen den Fahrersitz mit dem Platz hinter dem „Bücher-Computer“ getauscht. Groß und Klein geben bei ihm die ausgelesen Bücher ab, er vermerkt dies gleich im Computer. Ebenso geht es beim Ausleihen zu.

 In den Bücherbussen kann man sich nicht nur Medien ausleihen. Im Oktober 2020 startete das deutschlandweit einmalige Projekt „Mobile Saatgutbibliothek“. Die Idee: Über die Fahrbüchereien im Lande kann sich jeder Bücherbusnutzer Saat von Bohnen, Tomaten, Erbsen und Radieschen ausleihen, im heimischen Garten aussähen, pflegen, ernten. Die so gewonnene Saat wird im Herbst im Bücherbus wieder eingesammelt und für das kommende Frühjahr zur Aussaat aufbereitet.

Die „Mobilie Saatgutbibliothek“ ist mit dem neuen Saatgut alter Gemüsesorten gut gefüllt. Foto: Gerd Warda

Auch die „Mobile Wissenstankstelle Ostholsteins“ ist dabei und die „neue“ Saat von so seltenen Pflanzen wie “Kesselheimer Zuckererbse”, die süße Wildtomate “Rote Zora” oder “Wilhelmsburger Radieschen”, liegen schon neben anderen Saaten in einer schmucken Kiste im Bus. Wer bei der Aktion mitmachen möchte, benötigt einen gültigen Leseausweis. Hier der Link zur Seite der Büchereizentrale Schleswig-Holstein. Klicken Sie auf der Karte ihren Kreis an, dann in der Reiterebene „Service“ oder „Beim Bücherbus anmelden“, dann Formulare. Dort finden Sie den Antrag für den Ausweis. Er öffnet sich als PDF.

Auch an die Ferien ist gedacht. Hier gibt es den FerienLeseClub (FLC). Es ist ein Leseförderprojekt, das während der Sommerferien in den schleswig-holsteinischen Bibliotheken stattfindet. Der FLC motiviert die Schüler*innen zum Lesen und belohnt sie für jedes geschaffte Buch. Foto: Fahrbücherei 14

Aber damit nicht genug. Alle Busse bieten auch Wissensboxen zu fast 90 verschiedenen Themen für Kindergärten  und Grundschulen an. Sie sind lehrplanorientiert und altersgerecht zusammengestellt. Auf der jeweiligen Tour werden die Boxen direkt zur Schule oder Kindergarten gebracht. Für Kita-Kinder und Schüler ist es immer wieder ein Erlebnis, wenn der Bus mit den Schätzen vorfährt. Dann ist auch noch Zeit, im Bus zu stöbern…

Die Erfolgsgeschichte der Fahrbüchereien in Schleswig-Holstein mit ihren vielen Nutzern und Kooperationen, den rund 270 Kindertagesstätten, 170 Schulen und 35 Senioren- und Pflegeeinrichtungen, geht weiter. Digital ist ein Thema, mehr Präsenz in den Dörfern und vieles mehr. Darüber berichten wir später im kulturkanal.sh. … Jetzt beginnt erstmal die Lesezeit.

Gerd Warda

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