Selber Kunst in Auftrag geben

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Ein Kunstwerk, das von den Bewohner*innen initiiert und bei Kunstschaffenden in Auftrag gegeben wurde – das soll am Ende eines mehrjährigen Teilhabeprozesses stehen, der im Kieler Stadtteil Mettenhof startet. Angestoßen hat ihn der Kunstbeirat der Landeshauptstadt. Das dabei entstehende Werk soll in Verbindung mit dem gesamten Stadtteil stehen und im Sinne der Gemeinschaft ortsspezifische lokale Themen, Wünsche, drängende Anliegen oder Herausforderungen aufgreifen.

Der Stadtteil Mettenhof liegt circa 6,5 Kilometer westlich des Zentrums der Landeshauptstadt Kiel. Durch diese Randlage ist Mettenhof eine eigene kleine überschaubare Gemeinschaft ähnlich einer Kleinstadt. Mettenhof feierte 2015 sein 50-jähriges Stadtteiljubiläum und ist eine klassisch monostrukturierte Großwohnsiedlung der 1960er und 1970er Jahre. Mit seinen ca. 20.000 Einwohner*innen ist Mettenhof der bevölkerungsreichste Stadtteil Kiels. Auffallend ist die besonders junge Altersstruktur der Bewohner*innen, hier leben die meisten Kinder und Jugendlichen Kiels. Mettenhof ist ebenso durch einen hohen Anteil an Migrant*innen charakterisiert und im Vergleich zur Gesamtstadt Kiel in überdurchschnittlichem Maß von Arbeitslosigkeit und einer hohen Armutsdichte, insbesondere im Bereich der Kinderarmut betroffen. Leider begründen diese Faktoren nach wie vor oftmals Vorurteile gegenüber dem Stadtteil. Das daraus resultierende negative Image wie auch die erlebte Armut führen bei vielen Bewohner*innen zu einem Gefühl der Stigmatisierung und des gesellschaftlichen Ausschlusses.

„Neue Auftraggeber“

Kunst, auch im öffentlichen Raum, wird häufig von individuellen Personengruppen, Fachgremien oder Kommunen in Auftrag gegeben. Das innovative Modell der „Neuen Auftraggeber“ bietet nun der Gemeinschaft des Quartiers selbst diese Möglichkeit. Welche Art von Kunstwerk am Ende entstehen wird und an welchem konkreten Ort im Stadtteil dieses seinen Platz findet, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Von einem neuen Wahrzeichen Kiels in Form einer großen Skulptur über Stadtmöbel, Architektur, Urban Art, Malerei, Installation, Fotografie, Tanz- oder Theateraufführungen, Performance, Literatur, Musik, Film bis hin zu Design oder doch wissenschaftlichen Forschungsaufträgen ist alles möglich.

Achim Bendix: Gelenk (1976), Thorwaldsenpfad, Ecke Jütlandring, 24109 Kiel (Mettenhof). Quelle: sh-kunst.de

Dieser durch die teilnehmenden Bewohner*innen bestimmte Prozess findet im Rahmen eines Mediationsverfahrens nach dem Modell der „Neuen Auftraggeber“ statt. Seit 2007 folgt dieses Modell in Deutschland dem französischen Beispiel der „Nouveaux Commanditaires“ und setzt bürgerschaftliche Aufträge nach dem Protokoll des Künstlers François Hers aus dem Jahr 1990 um. Insgesamt entstanden so weltweit bereits rund 500 Projekte.

Bürgermeisterin Renate Treutel freut sich über das Projekt für den Stadtteil: „So viel ist sicher: Das wird ein spannender Entstehungsprozess einer Kunstproduktion mit den Bewohner*innen in Mettenhof, die hier selbst die Regie führen werden.“

Die Landeshauptstadt Kiel hebt sich mit ihrem Projekt für den Stadtteil Mettenhof von allen bisherigen Projekten ab und nimmt eine Vorreiterinnenrolle ein: Erstmals initiiert eine Kommune die Umsetzung des Modells und stellt die Finanzierung für die Entwurfsphase sicher. Über diese Besonderheit freut Bürgermeisterin Renate Treutel sich besonders: „Wir als Kommune sichern die Entwicklungsphase des Projektes finanziell ab und zeigen über die Initiative des Kunstbeirates sehr deutlich, dass wir es ernst meinen, wenn wir von ‚Kultur für alle‘ sprechen. Eine hohe Identifikation in Mettenhof mit der zu schaffenden Kunst im öffentlichen Raum ist eine neue Dimension von Beteiligung.“

Der Kunstbeirat der Landeshauptstadt Kiel hatte die Durchführung des Projekts angestoßen. Vorsitzender Dr. Peter Kruska ist glücklich, dieses Projekt nach Kiel geholt zu haben: „Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, das Modell der ‚Neuen Auftraggeber‘ für Kiel zu gewinnen und eine Kooperation zu entwickeln. Ich hoffe, dass wir mit diesem ‚Kieler Modell‘ das Verständnis für Kunst im öffentlichen Raum auch aus der reinen Fachwelt in aktuelle Lebenswirklichkeiten vor Ort transportieren können und Anstoß für andere Kommunen sein werden.“

Peter Nagel: Klettergerüst (1976–77, Deckengemälde 14,2 x 21,4 m, Öl auf Leinwand auf Gipskarton)
Bildungszentrum Mettenhof, Vaasastraße 43, 24109 Kiel (Mettenhof), Quelle: sh-kunst.de

Als Mediator wird der Kunsthistoriker, Kurator und Kunstvermittler Pascal Simm mit Bewohner*innen in Kontakt treten. Ziel ist es, eine Gruppe zusammenzuführen, die sich mit Blick auf ein zu schaffendes zukünftiges Kunstwerk über Themen und Anliegen austauscht, die für ihre Nachbarschaft und den Stadtteil besonders wichtig sind. Weiter hilft er dabei, einen konkreten Auftrag auszuformulieren und schlägt eine Künstler*innenpersönlichkeit vor, die dann in Absprache mit den Auftraggeber*innen einen künstlerischen Entwurf entwickelt.

„Den Stadtteil Mettenhof und seine Bewohner*innen in den kommenden Monaten nach und nach in ganz persönlichen Gesprächen kennenzulernen, erwarte ich schon mit Freude, Neugierde und auch Spannung“, sagt Pascal Simm. Ich möchte wissen, was es mit diesem Viertel auf sich hat, was gebraucht wird und was sich durch ein gemeinsames Projekt bewegen lässt. Mit hier seit kurzem oder langem ansässigen Menschen an einem großen Kunstprojekt zu arbeiten, bedeutet für mich vor allem auch zu erfahren, wie die Menschen hier ihren Alltag leben, welche Geschichten sie zu erzählen wissen und wie sie ihren eigenen Stadtteil sehen und einschätzen, was die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft angeht. Wir können gespannt sein, wie diese Ideen in Kunst transformiert werden. Ich freue mich auf viele Kontaktaufnahmen durch Bewohner*innen, da sie einfach selbst die besten Expert*innen ihres Stadtteils sind.“

Iwona Stegner: Frau (1989, Anröchter Sandstein), Bergenring 2, 24109 Kiel (Mettenhof), Quelle: sh-kunst.de

Die Hauptrolle im gesamten Prozess nehmen die Menschen im Stadtteil ein. Das in Kiel ansässige „Netzwerk für interkulturellen Austausch“ (von Shi Shi und Ying-Chih Chen der Gallery Cubeplus) begleitet den Prozess als Träger und unterstützt bei der Vernetzung aller Beteiligter. Als Partner des Netzwerks „Neue Auftraggeber“ stellt er auch Räume zur Verfügung, hilft bei den Organisationen von Projektveranstaltungen.

Die Entwurfsphase wird mit rund 100.000 Euro aus den Mitteln für Kunst im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt Kiel unterstützt. Bürger*innen, die sich für das Projekt interessieren, können sich per Mail an mettenhof@neueauftraggeber.de wenden.

Hier finden Sie eine Liste der Kunstwerke im öffentlichen Raum im Kieler Stadtteil Mettenhof (Quelle: www.sh-kunst.de)

Über den Stadtteil Mettenhof auf Kiel.de.

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