Illustratorin Tijana Lukovic über Paula Modersohn-Becker auf Amrum

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Here you can read the original interview in English.

Vor kurzem gab es eine neue Veröffentlichung über Paula Modersohn-Becker: ein Kinderbuch über die junge Paula auf der nordfriesischen Insel Amrum. Das Buch erschien zeitgleich auf Westfriesisch, Niederländisch sowie bilingual auf Deutsch und Öömrang (Amrumer Friesisch). Es handelt sich um eine Kollaboration der Ferring Stiftung auf Föhr mit dem westfriesischen Verlag De Ryp aus den Niederlanden.

Die Geschichte ist vom Leben der deutschen Expressionistin Paula Modersohn-Becker (1876-1907) inspiriert, in deren Werk die Form des Selbstporträts eine besondere Rolle einnimmt. Im Sommer des Jahres 1903 verbrachte Paula Modersohn-Becker mehrere Wochen zur Sommerfrische auf Amrum und malte die Friesenhäuser und Dörfer der Insel.

In der fiktiven Geschichte Paula und der verschwundene Spiegel ist Paula zwölf Jahre alt und besucht ihr Großmutter auf Amrum. Sie benutzt dort einen magischen goldenen Spiegel, um sich selbst zu malen. Das Portrait will sie ihrer Oma schenken – doch dann verliert Paula den Spiegel. Eine Suche auf der ganzen Insel beginnt.

kulturkanal.sh hat mit der belgischen Illustratorin Tijana Lukovic über die Hintergründe des Buches, ihre Verbindung zur Natur und die künstlerische Freiheit bei fiktiven Geschichten gesprochen. Die Malerin und Illustratorin Tijana Lukovic lebt mit ihrem Mann und ihrer gemeinsamen Tochter in Gent. Ihre Arbeit ist von Natur, Folklore und Mythologie inspiriert.

Tijana Lukovic in ihrem Studio in Gent, Belgien

Copyright: Tijana Lukovic

kulturkanal.sh: Was war zuerst da, die Geschichte oder die Illustrationen?

Tijana Lukovic: Als erstes war die Geschichte da – nein, als erstes war die Idee da. Meine langjährige Freundin Marije Sennema hat mir eine Postkarte mit einem Selbstportrait von Paula Modersohn-Becker geschickt (Selbstbildnis mit Kamelienzweig). Paula sei ihre neue Lieblingskünstlerin. Ich habe damals wieder angefangen zu arbeiten, nachdem ich eine Zeit lang Vollzeitmutter war. Als Inspiration habe ich die Postkarte an die Wand vor mich gehängt. Ich hab mich von der Karte angezogen gefühlt. Ich habe eine Verbindung gespürt zu der Art, wie Paula die Blätter so nah an ihre Brust hält. Also habe ich angefangen etwas mehr über sie herauszufinden. Ich habe mich in ihre Arbeiten verliebt, das Marije erzählt und wir dachten: Vielleicht können wir zusammen ein Buch über Paula machen.

Marije Sennema: Paula und der verschwundene Spiegel / Paula an di ferswünjen speegel

mit Illustrationen von Tijana Lukovic
Verlag De Ryp / Ferring Stiftung

20 Euro

Was ist dann passiert?

Marije hat die Geschichte geschrieben und mehrmals verändert, bevor ich mit den Illustrationen begonnen habe. Sie hat mir das Manuskript geschickt, als es schon fast fertig war – zusammen mit Anweisungen für die Illustrationen. Ich habe die Anweisungen befolgt, aber auch Elemente eingebracht, die mir wichtig waren. Zum Beispiel hatte ich gelesen, dass Paula Modersohn-Becker in Worpswede ihr eigenes Studio mit blauen Wänden hatte. Das hat mir sehr gut gefallen. Ich wollte die jüngere Paula, die ihre Oma auf Amrum besucht, mit der älteren Paula in Worspwede verbinden, also habe ich das Studio auf Amrum in diesem Blauton gemalt.

Das ist keine echte Geschichte über Paula. Wir wissen, dass sie nicht mit dem Malen begonnen hat bevor sie 16 Jahre alt war. In der Geschichte geht es mehr darum, wie sie hätte sein können. Also hatten wir diese künstlerische Freiheit.

In deinen Illustrationen gibt es viele kleine Elemente wie Tiere und Pflanzen. Weißt du schon bevor du mit dem Malen beginnst, welche Elemente du verwenden wirst – oder entscheidest du das spontan?

Manche Elemente sind solche, die Marije mir aufgetragen hat, zum Beispiel Elemente von Amrum. Ich war noch nie auf der Insel, aber sie war dort und hat mir Bilder als Referenz geschickt. Ich habe eine Karte von Amrum einbezogen und auch die Landschaft gemalt: die Dünen, den Leuchtturm und die friesischen Häuser.

Andere Dinge füge ich spontan ein. Manchmal male ich einfach Dinge aus meinem Studio, die direkt vor mir liegen: kleine Muschen, Steine und Federn. Ich dachte, dass Paula, der Natur so wichtig ist, vielleicht ähnliche Dinge um sich herum hatte.

Dann gibt es noch Elemente, die ich immer in meiner Arbeit nutze, sie sind eine Signatur für das, was ich außerhalb des Buches mache: Ich bringe oft die Natur ins Haus, ein Rotkehlchen, einen Igel… Es war Marijes Idee, dass Paula von einer Gans begleitet wird. Das passt auch zu meiner anderen Arbeit. Ich male immer Tiere, die meinen weiblichen Figuren folgen – wie ein Schatten oder ein Alter Ego.

Illustration von Tijana Lukovic in „Paula und der verschwundene Spiegel“

Mit all diesen Details: Wie nimmst du Änderungen vor?

Die Illustrationen entstehen analog, mit Gouache auf Papier. Aber um Details zu ändern oder hinzuzufügen, arbeite ich digital.

In der Geschichte der jungen Paula Modersohn-Becker auf Amrum geht es um Selbstportaits. Hast du dich jemals selbst gemalt – wie sie es so oft tut?

Mir wird oft gesagt, dass ich Figuren male, die mir ähneln – also auf eine Art und Weise ja. Aber ich male mich nicht bewusst selbst, so wie Paula, die sich anschaut und beschließt ein Selbstportrait zu malen. Was ich tue – und ich denke Paula tut das auch – ist nach etwas in mir selbst zu schauen, einer tiefen Verbindung. Die Mädchen, die ich male, sind wie ich, aber nicht im Aussehen, sondern im Fühlen.

Die Charaktere in dem Buch sind divers: Manche sind schwarz, es gibt einen Jungen im Rollstuhl. Warum hast du dich entschieden eine diverse Gesellschaft zu porträtieren?

Marije und ich haben darüber gesprochen. Wir denken, es ist für Kinder sehr wichtig, Bücher mit diversen Vorbildern zu haben, in denen jede*r seinen Platz hat. Ich verstehe, dass es in historischen Büchern, die Fakten folgen müssen, schwierig ist, diverse Figuren unterzubringe. Aber das hier ist eine fiktive Geschichte, also hatten wir die Möglichkeit – und haben sie genutzt.

Illustration von Tijana Lukovic in „Paula und der verschwundene Spiegel“

Was an Paula Modersohn-Becker inspiriert dich?

Am meisten liebe ich Paula wegen ihrer Verbindung zur Natur. Sie ist nackt in Seen und Flüssen geschwommen, hat sogar nackt im Mondlicht getanzt. Ein wildes Geschöpf. Und ich liebe die Erdtöne ihrer Bilder, wie das Rostrot. Ich habe versucht, diese Erdtöne auch in das Buch einzubringen, aber natürlich mussten die Farben für ein Kinderbuch etwas leuchtender sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

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