Kunst und Kultur an ungewöhnlichen Orten: KneipenKlassik und Panker Kultur e.V.

Teilen

Die Sonne fällt auf ein selbstgemaltes Schild mit der Aufschrift „Panker Kultur“, das an der Backsteinfassade hängt. Vor dem Eingang blühen Blumen, dahinter öffnet sich ein gepflegter Garten – ein Ort, der heute als kultureller Treffpunkt dient, wie es ihn auf dem Land nur noch selten gibt: der alte Krug in Gadendorf bei Lütjenburg.

Der Kulturverein in Gadendorf ist ein passender Rahmen für die Gruppe KneipenKlassik, die klassische Musik bewusst an ungewöhnliche Orte bringt. Zwei Ideen treffen hier aufeinander: Musik und Kultur dorthin zu bringen, wo sie fehlen, und Räume für Begegnung und Austausch neu zu beleben.

Jakob, Abigail, Constantin, David und Leo im Gadendorfer Krug. Foto: Nora Hoffmann

Klassik abseits des Konzertsaals

Die Gruppe KneipenKlassik, ehemals bekannt als die „Kieler Klassik Terroristen“, besteht aus rund 15 Musiker:innen, die seit sechs Jahren regelmäßig gemeinsam auftreten, etwa zweimal im Jahr. „Es stehen nicht immer alle auf der Bühne“, erklärt Nora Hoffmann, die die Geige spielt. „Je nach Programm treten wir in wechselnden Besetzungen auf,  mal zu zweit, mal zu dritt, mal zu fünft.“

Gegründet wurde das Ensemble im Jahr 2019 im Rahmen des Beethoven-Jubiläumsjahres ‚Beethoven bei uns‘. Damals wurden Musiker:innen bundesweit dazu aufgerufen, klassische Musik an ungewöhnlichen Orten zu spielen, abseits traditioneller Konzertsäle.

In Kiel führten sie zum Beispiel Kammermusik im Fahrradkinokombinat der Alten Mu auf: „Wir hatten richtig Spaß dabei! Und vor allem: Wir haben Menschen für klassische Musik begeistert, die sie sonst vielleicht nie gehört hätten. Das war die Motivation, weiterzumachen.“

Seither bringt die Gruppe ihre Programme regelmäßig in Kneipen, Bars und alternative Veranstaltungsorte – unter anderem in Kiel in das Do Sul, in die Hansa48, in den Phollkomplex –und zuletzt in den Gadendorfer Krug. Gerade die ungewöhnlichen Spielorte sind fester Bestandteil des Konzepts: „Uns ist wichtig, dass die Orte eigentlich nicht zu klassischer Musik passen“, so Hoffmann. Der Gadendorfer Krug passe da wunderbar ins Bild.

KneipenKlassik im Gadendorfer Krug. Foto: Nora Hoffmann

Klassik und Bingo im Gadendorfer Krug

Der Kontakt zwischen KneipenKlassik und dem Verein Panker Kultur kam über Instagram zustande. „Sie hatten einen Zeitungsartikel über uns gelesen und uns daraufhin angeschrieben“, erzählt Hoffmann.

Das Ergebnis dieser Nachricht war ein rund zweistündiges Konzertprogramm am 10. Mai 2025. Gespielt wurde Kammermusik aus verschiedensten Epochen und von Komponist:innen aller Zeiten, von Bach über Beethoven bis hin zu Tango.

Das Programm an diesem Wochenende war bunt und unterhaltsam: Neben klassischen Werken gab es ein originelles Arrangement von ABBA’s „Chiquitita“, einen Tango und als besonderes Highlight ein Klassik-Mash-up. In diesem wurden 70 bekannte Melodien miteinander verwoben – und das Publikum spielte mit: Bei jedem erkannten Stück durfte man auf einem Bingo-Zettel ein Kreuz setzen. Die Gewinner:innen des musikalischen Bingos freuten sich über ein Freigetränk.

„Das war ein lustig organisiertes Stück und kam super an“, so Hoffmann. Auch der Rahmen stimmte: „Der Panker Kultur e.V. hat uns wirklich herzlich empfangen“ betont die Geigerin und merkt an, dass hier mit viel Engagement zur Kultur gearbeitet wird.

Der Tischkicker war eine Spende an den Verein. Foto: Isabella Türemis

Kunst im Dorf: Der Gadendorfer Krug als kultureller Ankerpunkt

Der sogenannte „Krug“ in der Nähe von Lütjenburg wurde über vier Jahrzehnte vom Maler Henning Rethmeier als Atelier genutzt. Nun hat Rethmeier das historische Gebäude aus dem 19. Jahrhundert dem Panker Kultur e.V. zur kulturellen Nutzung überlassen, mit der Maßgabe, dass es dauerhaft als Ort für Kunst und Kultur erhalten bleibt. „Ohne seine Unterstützung wäre die Arbeit hier überhaupt nicht möglich“, betont Britta Rönnfeldt, die erste Vorsitzende des Vereins. Neben der Überlassung des Gebäudes stellt Rethmeier auch die Hälfte der Erlöse aus dem Verkauf seiner Kunstwerke zur Verfügung. Der Künstler, der weiterhin im Obergeschoss wohnt, wünscht sich regelmäßige Veranstaltungen und viele Besucher:innen im Krug.

Der Veranstaltungssaal des Panker Kultur Vereins. Foto: Isabella Türemis

Zwischen Baustelle und Kulturvision

Um Platz für ein kulturelles Programm zu schaffen, mussten zunächst umfangreiche Räumarbeiten erfolgen. „Drei LKW-Ladungen voller Bilder wurden nach Lütjenburg gebracht“, berichtet Stephan Cay, zweiter Vorsitzender des Vereins und zuständig für die Bauleitung. Der sanierungsbedürftige Zustand des Hauses – marodes Dach, Feuchtigkeit, veraltete Bausubstanz, erforderte viel Einsatz. Cay übernimmt nicht nur die Planung, sondern packt auch selbst tatkräftig mit an. „Es wird vermutlich auch immer eine Baustelle bleiben“, so Cay zu den Renovierungsarbeiten.

Ines Marutzky, dritte Vorsitzende, betont, wie wichtig es sei, neben dem Beruf als Lehrkraft eine weitere sinnstiftende Aufgabe zu haben. Die Vereinsgründung habe ihr, wie auch Cay und Rönnfeldt, genau das gegeben. Verbunden sind die drei über das ehemalige Wirtshaus Hessenstein in Gadendorf, das als Begegnungsort diente und zur Keimzelle ihrer Zusammenarbeit wurde. Rönnfeldt wohnt selbst in Gadendorf, Cay und Marutzky in der Nähe.

Hindernisse überwinden

Die eigentliche Idee entstand als Cay gemeinsam mit Musiker und Autor Rocko Schamoni einen Veranstaltungsort suchten. Rethmeier bot spontan den Krug an – trotz sichtbarem Sanierungsbedarf. Zwar waren sie anfangs skeptisch, entschieden sich dann aber für das Projekt. 2021 wurde Panker Kultur e.V. gegründet, 2022 begann nach bürokratischen Anlaufschwierigkeiten der operative Betrieb.

Anfangs gab es auch kritische Stimmen im Ort gegenüber dem Projekt, berichten die drei. Einige Anwohner:innen äußerten Bedenken über potenziellen Lärm oder die Art der Besucher:innen. Doch die anfängliche Skepsis wich als deutlich wurde, dass das Gebäude nicht dem Verfall preisgegeben, sondern mit neuem Leben gefüllt werden sollte. Besonders Rückkehrer:innen aufs Land zeigten sich erfreut und engagierten sich aktiv, merkte Rönnfeldt an.

Zwischen Kunst und Kult, die Bar des Vereins. Foto: Isabella Türemis

Dach ist dicht und der Saal voll

Mittlerweile ist der Krug regelmäßiger Veranstaltungsort mit gut besuchten Konzerten, Lesungen und Ausstellungen. Zum Beispiel kamen rund 100 Gäste zum Auftritt des Mod-Jazz-Quartetts Die Hamburger Spinners im November letzten Jahres: „Es wurde getanzt und die Stimmung war großartig, es war eins meiner liebsten Veranstaltungen“, so Marutzky. Alle Veranstaltungen finden auf Spendenbasis statt. „Das funktioniert erstaunlich gut, viele Menschen geben gerne etwas“, sagt Rönnfeldt. Das sei besonders wichtig, denn von diesen Einnahmen hängen nicht nur die Veranstaltungen, sondern auch die fortlaufenden Renovierungsarbeiten ab. Ohne die Erneuerung können dort keine Veranstaltungen stattfinden. In kleinen Schritten geht es jedoch voran und man kann den Fortschritt sehen: „Immerhin ist das Dach jetzt wieder dicht“, so Cay.

Ein Ort der Gemeinschaft

Inzwischen wird das Projekt von einer wachsenden Zahl an Mitgliedern getragen – nicht nur finanziell, sondern auch praktisch. So etwa Gerd, der schon früher gern ins damalige Wirtshaus kam und nun jedes Wochenende bei der Sanierung hilft.

Eine finanzielle Unterstützung durch die Gemeinde blieb bislang aus, sie sind jedoch in Kontakt mit dem Gemeinderat. Sie zeigen mit ihrem Projekt Engagement in einer Region, in der viele kulturelle Treffpunkte längst verschwunden sind. Genau hier setzt der Panker Kultur e.V. an: mit einem vielseitigen Programm aus Kunstausstellungen, Lesungen, Konzerten sowie Flohmärkten und offenen Formaten, die Begegnung ermöglichen und kulturelles Leben auf dem Land stärken sollen.

Wer sich engagieren möchte, kann samstags zwischen 10 und 14 Uhr am Krug vorbeischauen und mithelfen.

Der Garten des Gardendorfer Krugs. Foto: Isabella Türemis

Die nächsten Veranstaltungen im Gadendorfer Krug:

Ausstellungseröffnung am 31. Mai 2025 um 17 Uhr: Kerstin Behrendt: „POPmelancholie“

Lesung von Rocko Schamoni am 31. Mai 2025 um 20 Uhr

Flohmarkt am 29. Juni 2025

Tag der offenen Tür am 12. Juli 2025

Die nächsten Konzerte von KneipenKlassik:

Hansa48 in Kiel 6. Dezember 2025, 20 Uhr und 7.Dezember 2025, 16 Uhr

Unterstützen Sie kulturkanal.sh
– für eine lebendige Kulturszene

Vielen Dank, dass Sie kulturkanal.sh nutzen. Unser Online-Feuilleton für Schleswig-Holstein bringt Ihnen spannende Inhalte und aktuelle Berichte über das vielfältige kulturelle Leben in unserer Region.

Um weiterhin unabhängige und hochwertige Inhalte anbieten zu können, brauchen wir Ihre Unterstützung.

Mit einer freiwilligen Zahlung helfen Sie uns, durch unsere Berichterstattung die Kultur vor Ort zu fördern.

Jeder Beitrag zählt – machen Sie mit und stärken Sie die regionale Kultur!

Themen

Teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesen

Neueste Artikel