Ein Kreis tut einen Kunstgriff

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Einmal im Jahr öffnen sich im Landkreis Dithmarschen zwei Wochen lang die Ateliers. Beim „Kunstgriff“ kommen Hobby- und Berufskünstler zusammen. Über Chancen und Schwierigkeiten eines Kulturfestivals auf dem Land.

Dithmarschen: Kohl, Windräder und Kunst

Der Landkreis Dithmarschen ist bekannt als Vorreiter beim Ausbau der Windenergie. Er ist auch bekannt für seinen Kohl, denn hier befindet sich das größte Anbaugebiet für das Gemüse in Westeuropa. Und ganz aktuell ist er bundesweit bekannt für die Batteriefabrik Northvolt III, deren geplanter Bau nahe Heide nach dem Insolvenzverfahren des schwedischen Mutterkonzerns zu einem politischen Debakel wurde und die nun wahrscheinlich vom US-Konzern Lyten übernommen wird.

Das Atelier des Künstlers Dieter Koswig ist während des „Kunstgriffs“ geöffnet. Foto: Kunstgriff Dithmarschen

Aber es gibt noch eine andere Sache, die an Dithmarschen ziemlich besonders ist, die über die Kreisgrenzen hinaus jedoch vergleichsweise wenig bekannt ist: der Dithmarscher Kunstgriff. Eine kreisweite Kulturveranstaltung, die seit bald einem Vierteljahrhundert jährlich nationale und internationale, Berufs- und Hobbykünstler auf den Plan ruft – und die die Region an der Westküste Schleswig-Holsteins für zwei Wochen in eine, im wahrsten Sinne des Wortes, Kulturlandschaft verwandelt.

„Wenn mich Freunde fragen, was der Kunstgriff eigentlich ist, sage ich immer: Es funktioniert ein bisschen so wie ein Merchandise-Anbieter“, sagt Anna Christiansen. Die gebürtige Meldorferin, die in Hildesheim Kulturvermittlung und bildende Kunst studiert und anschließend ein Volontariat im Kunstmuseum Celle absolviert hat, hat in diesem Jahr Jahr die Organisation des Kulturevents übernommen.

„Wir stellen den Rahmen, und die Künstlerinnen und Künstler beleben das Programm mit eigenen Ideen.“

Die Kunstschaffenden öffnen in einem festgelegten Zeitraum ihre Ateliers, organisieren gemeinsame Ausstellungen, bieten Veranstaltungen an. Unter dem Motto „Wort, Bild, Klang“ geht es nicht nur um bildende Kunst, sondern auch um Musik, Performance, Poesie. Die Kunstgriff-Veranstalter – das sind die Volkshochschulen und der Kreis – kuratieren, verbreiten und bewerben das Programm, das alle Kunstschaffenden und ihre Veranstaltungen umfasst.

Weitgespannter Rahmen für viel Kreativität

Segel setzen: „Stückwerk 1“ heißt dieses Gemälde von Roland Wirrwarr, der zu den beteiligten Künstlern zählt. Foto: Kunstgriff Dithmarschen

Der Rahmen ist eher lose. Und das müsse er auch sein, um eine Veranstaltungsreihe von diesem Format in einer ländlichen Gegend auf die Beine zu stellen, sagt Christiansen. „Die Organisation ist nicht nur wegen der großen Fläche aufwendig, sondern auch wegen der Anzahl an Künstlerinnen und Künstlern.“ Dennoch, oder gerade deshalb, arbeiten die Kunstschaffenden eng zusammen. In diesem Jahr sind 150 Kreative aus insgesamt 14 Nationen involviert. Damit der Kunstgriff als einheitliches Konzept entstehen könne, müsse man sich umso besser austauschen. „Wir versuchen, so viele von ihnen wie möglich zwei Mal im Jahr an einen Tisch zu bekommen“, so Christiansen.

Und das klappe gut, berichtet sie. Viele wollen nicht nur das Werbedach nutzen, sondern sich einbringen. Das Geheimrezept dafür, dass der Kunstgriff seit nunmehr 24 Jahren ausgerichtet wird: die Kommunikation funktioniert. Denn die ländliche Region bietet auch viele Vorteile. Das „Man kennt sich“-Klischee vom Land scheint hier im besten Sinne zu gelten. „Der Kunstgriff  führt auch dazu, dass sich die Kunstschaffenden untereinander vernetzen“, sagt Ina Berg. Die Hobbykünstlerin stellt seit sechs Jahren beim Kunstgriff aus und ist seit zwei Jahren an der Organisation beteiligt.

Kunstschaffende wollen selbst mitgestalten

„So eine Veranstaltung wie der Kunstgriff kommt ohne Veränderung irgendwann in die Jahre“, sagt Berg. „Darum finde ich es wichtig, dass auch wir Kunstschaffenden uns aktiv daran beteiligen und das Format voranbringen.“ Nach Corona habe es einen Knick gegeben, die Motivation habe nachgelassen. „Das Programmheft ist zwischenzeitig etwas dünner geworden“, so die Künstlerin.

Zwar sei inzwischen wieder etwas neuer Wind in das Format gekommen. Aber Luft nach oben sei weiterhin. Vor allem, was die Zielgruppe der Kulturreihe angeht. Denn hier kranke der Kunstgriff an einem Problem, das nicht nur auf dem Land und auch nicht nur im Kulturbereich präsent ist. Berg: „Das Durchschnittsalter ist ziemlich hoch, sowohl unter den Teilnehmern als auch den Besuchern.“

Selbstportrait der Künstlerin Paula Bisiriyu. Sie stellt im Rahmen der Gruppe „Kunst verbindet“ aus. Foto: Kunstgriff Dithmarschen



Das Ziel: Jüngere für das Programm begeistern

Aktuell gehe es daher darum, vor allem junge Leute für den Kunstgriff zu begeistern. Ein Schritt dahin ist in diesem Jahr einheitliches Kunstgriff-Design für Social Media, das alle teilnehmenden Künstler nutzen dürfen – und das auch mit einem kleinen Bildungsauftrag einhergeht. „Gerade unter den Älteren sind natürlich auch einige, die nicht viele Berührungspunkte mit Social Media haben“, sagt Anna Christiansen. Hier greife man sich gegenseitig unter die Arme, damit alle von dem Angebot profitieren können.

Ein anderes Konzept, um an die jüngere Generation heranzutreten: Kunstgriff macht Schule. „Die Idee ist, dass auch Lehrkräfte mit ihren Klassen Kunstschaffende besuchen oder selbst kreativ werden“, sagt Ina Berg. Den Ansatz gibt es zwar schon einige Jahre. So richtig Fahrt aufgenommen habe er aber noch nicht.

Zum aktuellen Kunstgriff gibt es eine Neuerung, die sich allerdings weniger ans jüngere Publikum richtet. Es soll erstmals geführte Fahrradtouren zwischen verschiedenen Ateliers und Veranstaltungsorten geben. „So wollen wir einige der Ausstellungsorte besser miteinander vernetzen“, sagt Anna Christiansen. Die diesjährige Ausgabe des Dithmarscher Kunstgriff geht vom 12. bis zum 28. September. Das Programm kann unter www.kunstgriff.de eingesehen werden.


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