Das Schleswig-Holstein Musik Festival 2025 ist vorbei. Was nach meinem letzten Konzertbesuch bleibt, sind viele Eindrücke, Vorfreude aufs nächste Jahr – aber auch ein Wermutstropfen beim Blick auf das Publikum.
Dabei wurde das SHMF-Publikum im Jahr 2023 vom Klassik-Magazin concerti sogar zum Publikum des Jahres ernannt. Christian Kuhnt, SHMF-Intendant, sagte damals zu „seinem“ Publikum: „Ihr seid neugierig, enthusiastisch, loyal, ehrlich, engagiert, sympathisch, generationenübergreifend, hitzebeständig und wasserdicht!“
Los Pitutos in Oldenburg
202.000 Besucher*innen waren in diesem Jahr beim SHMF. Die lassen sich natürlich nicht alle über einen Kamm scheren. Die meisten bei den 203 Konzerten an 125 Spielstätten haben sich sicherlich vorbildlich verhalten. Doch beim Auftritt von Los Pitutos im Oldenburger Wallmuseum zeigte sich das Publikum wirklich nicht von seiner preiswürdigen Seite. Am 4. August gab es dort einen lateinamerikanischen Open-Air-Abend. Bereits vor dem Konzert konnte das Publikum das Museum erkunden, das die mittelalterliche Zeit der slawischen Siedlung Starigard erlebbar macht, und draußen waren Stände mit Handwerkskunst aufgebaut.
Viva la Vida
Dann kam der Auftritt von Los Pitutos: Die fünf Männer in den hellen Leinenanzügen verbreiteten trotz Nieselregen gute Laune. Der Drummer Cristian Betancourt beherrschte seine unglaublich schnellen und komplizierten Rhythmen. Die Sänger, einer mit einer schmalzigen Opernstimme (Álvaro Zambrano), der andere etwas rauer (Matías Piñeira), ergänzten sich hervorragend. „Viva la Vida!“ lautet der Titel des Programms und die Band, deren Mitglieder aus Chile, Kolumbien und Argentinien stammen, sich aber in Berlin kennengelernt haben, versteht wirklich etwas davon, das Leben zu leben.
Liebe und Essen
Die Lieder stammen aus ihren Heimaten, man konnte die Sehnsucht in den Stimmen der Bandmitglieder hören, wenn sie davon erzählten und sangen. In ihren Anfangszeiten waren sie eine reine Boleroband, aber gerade der Beginn des Abends zeigte, wie funky die auch sein kann. Einige Balladen sind dabei, die meisten Lieder sind aber schwungvoll, zum Mittanzen oder auch Mitsingen geeignet, selbst wenn man die spanischsprachigen Texte nicht versteht. „In südamerikanischen Liedern geht es immer um Liebe und Essen“, erzählten die fünf auf der Bühne.
15 Minuten Pause
Als Los Pitutos eine Pause einlegte, angekündigt mit „15 Minuten ungefähr“, versuchte das Publikum bereits nach knappen fünf Minuten ungeduldig klatschend die Band aus der Pause zu holen. Weil es ein wenig regnete. Dabei saßen sie doch alle bequem und vor allem wasserdicht, die allermeisten hatten sich mit bunten Regencapes auf das Wetter vorbereitet. Auch Getränke gab es, um sich den norddeutschen Regen etwas schön zu trinken und ihn, der Musik entsprechend, in einen tropisch-warmen Regenschauer zu verwandeln. Los Pitutos ließ sich vom fordernden Klatschen nicht beirren. Die Band zog die wohlverdiente Pause wie geplant durch und spielte danach voller Lebensfreude weiter, als wäre nichts gewesen. Während ich immer noch sprachlos war.
Klatschen statt Applaus
Geklatscht wird im Rhythmus und geklatscht wird am Ende von Liedern und Auftritten, um den Musikern Respekt zu zollen – für ihre harte Arbeit und für ihre Musik. Applaus nennt sich das. Inmitten einer Pause zu klatschen, damit diese schneller endet, das ist kein Applaus, das ist ganz bestimmt nicht „loyal, sympathisch und wasserdicht“, sondern einfach nur dreist.
Los Pitutos in Oldenburg: Ein toller Auftritt, aber das Publikum war eher mittelmäßig. Fürs Konzerterlebnis ist beides relevant.