Wie werden künftige Menschen das 21. Jahrhundert nennen? Diese Frage stellt die Ausstellung im Steinzeitpark Dithmarschen in Albersdorf und zeigt daher in einer Vitrine im Museum „Steinzeithaus“ Gegenstände der Gegenwart: ein Autoschlüssel als Symbol der individuellen Mobilität, eine Atemmaske als Überbleibsel der Corona-Pandemie und jede Menge Plastik. Welcher Gegenstand könnte Namensgeber der Epoche sein? Über 3.500 Besucher:innen der Ausstellung beteiligten sich an der Umfrage. Nun liegt ein Ergebnis vor: Eine Mehrzahl hält die Bezeichnung „Plasticum“ für angemessen. Weil auch der Verbrauch von fossiler Energie durch Motoeren oder Heizungen ein Merkmal der Jetzt-Zeit ist, landete der Begriff „Fossilium“ auf dem zweiten Platz.
Plastik überdauert – das freut künftige Forschende
Plasticum sei eine gute Wahl, auch aus archäologischer Sicht, sagt Rüdiger Kelm, Leiter des Steinzeitparks: „Denn bei Plastik und Kunststoffen handelt es sich um Funde, die sich im Boden erhalten und die damit tatsächlich in 1.000 Jahren noch aufzufinden sind.“
Der Steinzeitpark Dithmarschen in Albersdorf umfasst ein rund 40 Hektar großes Gelände, das eine archäologische Fundstelle besonderer Güte darstellt, weil hier bereits in der Urzeit Menschen siedelten. Davon zeugen Gräber aus verschiedenen Jahrhunderten. Wie die Menschen damals lebten, können Besucher:innen in nachgebauten steinzeitlichen Häusern und Zelten erfahren. Die Ausstellung im Steinzeithaus führt in die letzte Eiszeit im heutigen Schleswig-Holstein, die rund 12.000 Jahre zurückliegt. Weitere Räume zeigen, wie die Menschen sesshaft wurden und mit dem Ackerbau begannen. Daneben gibt es Sonderausstellungen. Der Blick in die Vergangenheit endet mit der Bronzezeit. Ausgestellt sind die Dinge, die sich im Boden erhielten, etwa bearbeitete Knochen, Pfeilspitzen und steinerne Faustkeile.
Vitrine zeigt die „Archäologie der Zukunft“

Die Vitrine mit Gegenständen der heutigen Zeit steht unter dem Motto „Archäologie der Zukunft“. Dieser junge Wissenschaftszweig werde vor allem in Skandinavien und Großbritannien betrieben, sagt Kelm. Die Forschung befasst sich mit der Frage, was aus der Gegenwart überdauert. Dazu finden Grabungen auf Müllkippen oder in Städten statt, als wären sie archäologische Fundstellen. Ulrich Müller, Professor am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Kieler Universität, untersuchte mit einer Gruppe Studierender den Kleingarten „Prüner Schlag“ am Rand von Kiel. Das Gelände musste einem Möbelmarkt Platz machen.
Ein Gartenzwerg mit Solarleuchte machte den Forschenden besonders zu schaffen: Sie fanden nicht heraus, wann genau er produziert und wo er verkauft wurde. „Im Ganzen spiegeln die Funde die bunte Lebenswelt einer Kleingartenparzelle wider“, sagte Müller. Die meisten Gegenstände stammen aus den späten 1990er und 2000er Jahren. „Sie belegen mit ihren ganz eigenen Biografien das Leben in einem Kleingarten.“
Mehr Künstliches als Lebendiges auf der Erde
Die Menschheit hinterlässt mehr als genug Material für die Nachwelt. Bereits im Jahr 2020 berichtete die Fachzeitschrift „Nature“ von einer Studie, laut der die Masse der von Menschen gemachten Gegenstände die Biomasse übersteige. Weil der Einfluss des Menschen auf Tiere, Umwelt und Atmosphäre so stark ist, ist vom Anthropozän, dem „Menschenzeitalter“, die Rede. Den Ausdruck benutzte der Nobelpreisträger und Atmosphärenchemiker Paul Crutzen im Jahr 2000. Bereits im 19. Jahrhundert hatte der italienische Geologe Antonio Stoppani erstmals einen wachsenden Einfluss des Menschen auf die Umwelt festgestellt und von einer „anthropozoischen Ära“ gesprochen.

Debatten über die „Funde der Zukunft“
Die Idee, das Anthropozän noch feiner zu unterteilen und einen Namen für das junge 21. Jahrhundert zu finden, entstand in Albersdorf mit dem Bau des Steinzeithauses. Es eröffnete im Frühjahr 2023. Seither läuft die Umfrage, wie künftige Forschende diese Epoche wohl nennen werden.
Wie schwierig es ist, aus Funden auf die Lebensweise der Menschen zu schließen, zeigt sich in der Vitrine zur „Archäologie der Zukunft“. Plastik sei wohl aus kultischen Gründen in der Landschaft verteilt worden, lautet eine These der künftigen Wissenschaftler:innen. Und Atomwaffen müssten wohl eine Art Schreckgespenst sein, schließlich könnten Menschen nie so dumm sein, den Planeten zu gefährden.
Bei Führungen gebe es regelmäßig Diskussionen über diese Vitrine, berichtet Museumsleiter Kelm. Damit ist das Konzept aufgegangen: „Mit diesen provokativ und bewusst etwas negativ gehaltenen Beschreibungen wollen wir zum Nachdenken über unsere Zeit anregen.“