Erstens: finanzielle Förderung der Popkultur, zweitens: Einrichtung einer dauerhaften Koordinationsstelle, drittens: transparente Richtlinien für Veranstaltungen und viertens: Unterstützung auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Kulturszene: Vierundvierzig Live-Clubs, Konzertveranstalter, Festivals und Kulturvereine aus Schleswig-Holstein haben als Erstunterzeichnende ein Forderungspapier veröffentlicht. Am Sonntag, den 25. August wurde es mit einer Podiumsdiskussion im Backstage-Bereich des Kieler Funhouse Festivals vor geladenen Gästen aus der Liveszene vorgestellt.
Eine dauerhafte Koordinationsstelle und transparente Richtlinien – vor allem über die Forderungen zwei und drei wird heute gesprochen. Auf dem Podium berichtet Fabian Schmitt von den Anfängen des Liveszene-Netzwerkes: In den Corona-Jahren suchte er als Mitorganisator des Skandaløs-Festivals für Musik und Utopie im nordfriesischen Neukirchen den Kontakt zu anderen Festivals im Land. Aus den anfänglichen Rundmails wurden bald Videokonferenzen, durch die damalige Pop-Referentin des Landesmusikrats Nina Graf kam der Impuls, den Kreis von Festivals auf die gesamte Liveszene zu erweitern. Koordination und Organisation des wachsenden Netzwerkes wurde schließlich von der Pop-Referentenstelle übernommen und so verstetigt. Im Januar übernahm der Musiker Ingo Hassenstein den Posten von Nina Graf. „Erstaunlich, wie viel eine Person erreichen kann, die sich nicht auch noch um ihr alltägliches Veranstaltergeschäft kümmern muss. Das ist unglaublich wichtig für die Liveszene“, sagt Schmitt über das bisher erreichte.




Die befristete Koordinationsstelle der Pop-Referent:in wird bis Ende des Jahres finanziert durch eine Anschubfinanzierung der Initiative Musik und ist angesiedelt beim Landesmusikrat Schleswig-Holstein. Sie über das Jahresende hinaus zu sichern und langfristig zu institutionalisieren, ist Wunsch und zentrale Forderung der Liveszene. Das Land soll einen Großteil der Finanzierung übernehmen. Mit Landesmusikrat-Präsidentin Alexandra Ehlers und der Leiterin der Abteilung Strukturförderung bei der Initiative Musik Sabine-Lydia Schmidt sind beide Institutionen auf dem Podium vertreten. Ingo Hassenstein, moderiert die Diskussion. Die Runde vervollständigen Uta Röpcke (Grüne) und Beate Raudies (SPD), die kulturpolitischen Sprecherinnen ihrer Parteien im Schleswig-Holsteinischen Landtag.
Gegen die Forderungen ist hier niemand. Im gemeinsamen Gespräch geht es vielmehr darum, Verständnis für die Standpunkte der Szene zu schaffen, zu informieren und Wege zu ihrer Umsetzung zu finden.
Die Forderungen der Liveszene
„Der Bereich Populärmusik war ein blinder Fleck im Land“, sagt Alexandra Ehlers. Nach einem langwierigen Prozess ändere sich dies erfreulicherweise gerade. „Als Landesmusikrat wollten wir uns klar für die Popkultur positionieren und spätestens mit der Pop-Referent:innen-Stelle, die es seit knapp zwei Jahren gibt, ist das Thema bei uns in Mark und Bein übergegangen.“ Auch Beate Raudies verweist auf den inzwischen jahrelangen Prozess. Die Stärkung der Popkultur sei bereits in der vorangegangenen Koalition aus SPD, Grünen und SSW diskutiert worden und die Schaffung einer entsprechenden Stelle Thema gewesen.
Was sind faire Bedingungen für Veranstaltende und wie können sie hergestellt werden?
„Am Ende geht es darum, welche Kosten die Veranstalter wo tragen müssen“, sagt Fabian Schmitt. Im Austausch mit anderen Festivals habe er festgestellt, dass es von Landkreis zu Landkreis sehr unterschiedliche Richtlinien für Veranstaltungen im Open-Air-Bereich gebe, zum Beispiel dafür, wie viele Feuerwehrleute und Sanitäter:innen vor Ort sein müssen oder wann eine Veranstaltung, etwa aufgrund der Wetterbedingungen abgebrochen werden muss. Auch für Spielstätten seien die Richtlinien mitunter sehr unterschiedlich. Wünschenswert wäre hier eine landesweite Expertise. Einheitliche Regelungen in diesem Bereich seien vom Land aufgrund des kommunalen Selbstverwaltungsrechts allerdings schwer durchzusetzen, gibt Uta Röpcke zu bedenken. Sie regt an, mit den kommunalen Spitzenverbänden zu sprechen und diese Forderung an sie zu richten: „Das könnte auf verschiedenen Ebenen geschehen – landesweit oder auch bundesweit“. Sabine-Lydia Schmidt von der Initiative Musik betont die Vermittlerposition, die Pop-Beauftragte auch zwischen Behörden übernehmen können: „Ein Teil der Arbeit ist „B2B-Management“, Behörde zu Behörde, denn in Live-Veranstaltungen sind von Ordnungsamt über Grünflächenamt bis zur Wirtschaftsförderung oftmals die unterschiedlichsten Ämter und Institutionen involviert. Da ist es nur sinnvoll, wenn es Sachverständige gibt, die hier vermitteln können – entweder innerhalb der Verwaltung oder eben von außen – zum Beispiel über Pop-Beauftragte, wie wir sie fördern.“ Forderung Nummer drei entpuppt sich so als ein weiteres Argument für Forderung Nummer zwei.
Vorbild Hamburg?
In der anschließenden Fragerunde meldet sich Thore Debor vom Clubkombinat Hamburg zu Wort und verleiht der Forderung nach Verstetigung Nachdruck: Es sei ein Kraftakt gewesen, diese vierundvierzig Namen zusammenzubringen. Mit einer dauerhaften Koordinationsstelle könnten es bald über 100 sein. Doch das, was in den letzten Jahren in mühsamer Arbeit an Vernetzung aufgebaut wurde, könne auch schnell wieder wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen. „Deshalb noch einmal die konkrete Frage an die Politik: Wann kommt die dauerhafte Pop-Koordinationsstelle in Schleswig-Holstein?“
Als einzige anwesende Vertreterin der Regierungskoalition – die ebenfalls eingeladene kulturpolitische Sprecherin der CDU, Anette Röttgers, ließ sich aus familiären Gründen kurzfristig entschuldigen – verwies Uta Röpcke auf die laufenden Haushaltsberatungen für das kommende Jahr und die angespannte Haushaltslage. Ihr persönlicher Standpunkt und der ihrer Partei sei jedoch klar: Sie werde für die Verankerung einer dauerhaften Koordinationsstelle im Haushalt werben. Entscheidend seien jedoch politische Mehrheiten für die Idee. Mit der Selbstorganisation habe die Liveszene einen ersten großen Schritt getan, Ihren Anliegen Gehör zu verschaffen.
Auch, wenn seine Frage unbeantwortet bleiben musste – in Thore Debors Redebeitrag hört man seine Erfahrung im Eintreten für die Interessen der Livekultur. Das Clubkombinat ist so etwas wie der Dachverband der Hamburger Liveszene. Es vertritt seit der Gründung im Jahr 2004 die Interessen seiner Mitglieder gegenüber Politik und Wirtschaft und moderiert die Kommunikation zwischen den offiziellen Gremien der Stadt. Eine solche Institutionalisierung für Schleswig-Holsteins Szene zu etablieren, das könnte eine Perspektive sein für den Weg, auf den sich die vierundvierzig Erstunterzeichnenden mit Hilfe der Pop-Referentin Nina Graf und ihrem Nachfolger Ingo Hassenstein gemacht haben. Die nächsten Schritte hin zu einer festen Struktur könnten bereits dieses Jahr gegangen werden: Am 12. November um 14 Uhr treffen sich die Veranstaltenden in den neuen Örtlichkeiten der Schaubude Kiel, um sich darüber auszutauschen, wie es nach diesem „Kraftakt“ am sinnvollsten gemeinsam weitergehen könnte.
Mehr Informationen zur Organisation der Pop-Musik in Schleswig-Holstein finden Sie auf Popnet.sh – Landesmusikrat SH (landesmusikrat-sh.de).




