Lübecker Museen übergeben menschliche Überreste eines Selk’nam-Mannes an Delegation aus Feuerland

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Die menschlichen Überreste eines Mannes aus der indigenen Gemeinschaft der Selk’nam wurden am 11. Oktober 2024 im Lübecker Rathaus an eine Delegation aus Feuerland (Chile) übergeben. Der Schädel des Mannes, der 1914 von einem deutschen Auswanderer aus Punta Arenas an das damalige Lübecker Völkerkundemuseum gesandt wurde, war Teil der Sammlung Kulturen der Welt. Diese enthält sterbliche Überreste von 25 Personen, deren Herkunft im Rahmen eines Provenienzforschungsprojekts seit 2022 ermittelt wurde. Die meisten dieser Überreste stammen aus dem kolonialen Kontext und wurden oft ohne Zustimmung der Angehörigen aus Gräbern entwendet. Die Übergabe des Schädels an die Delegation aus Feuerland ist die zweite Übergabe sterblicher Überreste aus der Sammlung. Bereits im September wurden die Gebeine eines Kleinkindes an den Botschafter von Peru übergeben.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte die indigene Bevölkerung Feuerlands massive Vertreibung und Ermordung durch europäische Auswanderer, die ihr Land für die Wollproduktion nutzen wollten. Viele der Selk’nam starben an eingeschleppten Krankheiten in Missionsstationen. Gleichzeitig entwickelte sich ein wissenschaftliches Interesse an den Gebeinen der Indigenen, die als „primitivste Menschen“ galten, weshalb ihre Überreste weltweit an Museen verschickt wurden. Trotz massiver Proteste der Überlebenden wurden Gräber geplündert, und sogar Selk’nam-Indigene wurden in deutschen Zoos zur Schau gestellt. 2023 wurden die Selk’nam von der chilenischen Regierung erneut als indigene Gemeinschaft anerkannt.

Seit 2022 stehen die Lübecker Museen in engem Austausch mit der Organisation „Hach Saye“, die die chilenische Selk’nam-Gemeinschaft vertritt. Im Jahr 2023 wurde in Zusammenarbeit eine Ausstellung mit dem Titel „Hoffnung am Ende der Welt“ gezeigt, um die Öffentlichkeit über die Zusammenhänge aufzuklären. Die sterblichen Überreste werden in der Sammlung ethisch und respektvoll behandelt, ohne ausgestellt oder fotografiert zu werden. Eine Delegation der Selk’nam besuchte Lübeck im September 2023, um den Verstorbenen symbolisch auf den Namen Hoshkó zu taufen, und äußerte den Wunsch, ihn in seiner Heimat beizusetzen.

Die Lübecker Museen erhielten Anfang 2024 die Genehmigung zur Rückgabe der sterblichen Überreste. Nach chilenischem Recht müssen diese Überreste jedoch an das dortige Kultusministerium übergeben werden, was von den Selk’nam kritisch gesehen wird. Sie bevorzugen eine direkte Übergabe ohne die Beteiligung chilenischer Behörden. Um einen Kompromiss zu finden, baten die Selk’nam schließlich um eine Beisetzung ihres Ahnen auf einem Lübecker Friedhof, wobei eine spätere Rückführung in seine Heimat nicht ausgeschlossen wird. Die Beisetzung fand nach der Übergabezeremonie statt, was erstmals die Bestattung eines Ahnen aus einem kolonialen Kontext auf deutschem Boden durch eine indigene Gemeinschaft markiert.

Im Anschluss an die Zeremonie überreichte Dr. Lars Frühsorge, Direktor der Lübecker Sammlung Kulturen der Welt, symbolisch den Schlüssel für das Urnenbehältnis an Hema’ny Molina, Vertreterin der Selk’nam.

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