Ein Turm: Vögel beobachten in Heiligenhafen

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Schlicht, schräg und groß: Der hölzerne Vogelbeobachtungsturm vom NABU fügt sich nicht so ganz ein in die Reihe der Jahrhundertwende-Strandvillen im Heimatstil auf der Halbinsel Graswarder. Eine Irritation, gut 100 Jahre jünger als die Gebäude zu seiner linken und gut 15 Meter höher als das Naturschutzgebiet zu seiner rechten Seite.

Entworfen hat ihn Meinhard von Gerkan, einer der berühmtesten Architekten Deutschlands (geboren 1935 in Riga, gestorben 2022 in Hamburg). Er hat ansonsten keinen einzigen Vogelbeobachtungsturm gebaut. Zu seinem Portfolio gehören eher chinesische Planstädte und die Flughäfen in Stuttgart, Berlin-Tegel, Hamburg und Moskau-Scheremetwejo. Der Holzturm fügt sich also in von Gerkans Lebenslauf genauso wenig wie in das Graswarder-Panorama ein. Er soll zwar einen Vogel darstellen, also theoretisch ein Flugobjekt, aber einen sitzenden.

Damit verhält der Turm sich genauso wie seine nächsten Nachbarn, die Bodenbrüter, deren riskantes Brutverhalten durch einen Zaun vor Menschen und Fressfeinden geschützt werden muss. Von dem Lärchenholzturm (Lerchen sind übrigens auch Bodenbrüter) hat man einen guten Ausblick auf Vogel und Meer. Es ist das letzte Gebäude vor dem Naturschutzgebiet, das man nicht betreten darf, und das erste Gebäude nach einer langen Reihe von Grundstücken im Privatbesitz, das man überhaupt betreten darf. Auch Meinhard von Gerkan hat solch ein Grundstück besessen und auf dem Graswarder gelebt. Das erklärt den Bruch im Lebenslauf.

Das Graswarder-Panorama. Foto: Pauline Reinhardt

Das merkwürdigste an dem Vogelbeobachtungsturm ist allerdings, wie sehr er die Gemüter bewegt. Dass sich da etwas nicht so richtig einfügt, haben viele gedacht. Der damalige Landesnaturschutzbeauftragte Klaus Dürkop (geboren 1939 in Tönning, gestorben 2024), der den Turm in Auftrag gegeben hatte, berichtete 2008 im Fehmarnschen Tageblatt: Er habe Morddrohungen erhalten, der Turm solle brennen. Doch dann erhielt die einzigartig stabile Holzkonstruktion den Internationalen Architekturpreis, verliehen durch das Chicago Athanaeum Museum for Architecture and Design. Und der Bird Observation Tower blieb stehen.

Von dem Vogelbeobachtungsturm hat man eine gute Aussicht auf den Ostsee Aussichtsturm Klaustorf. Foto: Pauline Reinhardt

Von dem Turm mit dem Spitznamen „Raketenabschussrampe“ aus hat man übrigens eine gute Aussicht auf den „Spökenkieker“, wie der gegenüberliegende Ostsee Aussichtsturm Klaustorf auch genannt wird. Der ist noch viel höher, ganze 75 Meter, und um einiges irritierender. Denn früher hieß er Fernmeldesektorturm A und diente im Kalten Krieg zum Abhören von DDR-Funk. Heute erinnert dort eine Ausstellung nicht daran – sondern widmet sich dem Naturraum Ostsee.

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