Die kulturpolitische Debatte rund um Museen ist schnell polarisiert. Auf der einen Seite stehen Stimmen, die Museen als unverzichtbare Orte gesellschaftlicher Bildung und kulturellen Austauschs verstehen. Auf der anderen Seite wird zunehmend gefragt, ob sich die Gesellschaft diese Einrichtungen angesichts leerer öffentlicher Kassen noch leisten kann – schließlich verursachen sie hohe Betriebskosten und hängen oft von staatlichen Zuschüssen ab.
Eine neue Studie des Instituts für Museumsforschung und der ICG Integrated Consulting Group, durchgeführt im Winter 2024/2025, bringt nun erstmals für Deutschland belastbare Zahlen in die Diskussion ein. Die Untersuchung zeigt: Museen verursachen nicht nur Kosten, sie generieren auch erhebliche ökonomische Effekte. Und diese Effekte gehen weit über die klassischen kulturpolitischen Argumente hinaus.
Knapp 7.000 Museen als Wirtschaftsfaktor – eine unterschätzte Rolle
Museen bieten weitaus mehr als kulturelle Inhalte. Sie sind wirtschaftlich aktive Institutionen, die Beschäftigung sichern, Wertschöpfung erzeugen und regionale Entwicklung fördern. Die Studie unterscheidet drei Wirkungsebenen: direkte, indirekte und konsuminduzierte Effekte. Zusammengenommen ergibt sich ein eindrucksvolles Bild der wirtschaftlichen Bedeutung der Museumslandschaft.

Im Jahr 2023 erzielten die Museen in Deutschland eine direkte Wertschöpfung in Höhe von 4,5 Milliarden Euro. Diese Summe ergibt sich aus den Einnahmen und Subventionen der Museen abzüglich der Ausgaben für Vorleistungen wie Material oder Dienstleistungen.
Zusätzlich kamen indirekte Effekte in Höhe von 1,6 Milliarden Euro hinzu – also Wertschöpfung, die bei Zulieferern und Dienstleistern entsteht, die für Museen tätig sind. Über konsuminduzierte Effekte – also über das Einkommen, das Beschäftigte in Museen und deren Zulieferer in den Wirtschaftskreislauf einbringen – wurden weitere 3,3 Milliarden Euro an Wertschöpfung ausgelöst.
In der Summe ergibt sich daraus ein wirtschaftlicher Fußabdruck von rund 9,4 Milliarden Euro, der durch den Museumssektor allein im Jahr 2023 erzeugt wurde.

Arbeitsplätze durch Kultur – mehr als man denkt
Die Annahme, Kultur sei ein Schönwetterprojekt ohne realwirtschaftliche Bedeutung, wird durch die Zahlen deutlich widerlegt. Allein im Jahr 2023 beschäftigten die Museen in Deutschland rund 67.000 Personen in Vollzeitäquivalenten. Dabei handelt es sich um fest angestelltes Personal – Ehrenamtliche, Freie oder projektbezogene Stellen sind darin nicht einmal enthalten.
Weitere 21.000 Vollzeitäquivalente entstanden bei Unternehmen, die Dienstleistungen oder Produkte an Museen liefern – also indirekt durch die museale Nachfrage. Zusätzlich wurden durch konsuminduzierte Effekte – etwa durch Ausgaben des Museumspersonals – nochmals 18.000 Arbeitsplätze geschaffen.
Somit sichern die Museen insgesamt rund 106.000 sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen in Deutschland. Das macht sie zu einem bedeutsamen Arbeitgeber innerhalb des Kultur- und Kreativsektors.
Einkommen und Kaufkraft – ein unterschätzter Finanzfaktor
Die Museen in Deutschland lösten im Jahr 2023 Einkommenseffekte in Höhe von insgesamt 6,9 Milliarden Euro aus. Davon entfielen 4,1 Milliarden Euro auf direkte Einkommen, also die Löhne und Gehälter der Museumsbeschäftigten. 1,5 Milliarden Euro wurden bei den Vorlieferanten generiert, und 1,3 Milliarden Euro stammen aus konsuminduzierten Effekten.
Auch die daraus resultierende Kaufkraft ist nicht zu unterschätzen. Nach Berechnungen der Studie führten die direkten Einkommen im Museumssektor zu einer Kaufkraft in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Auf der indirekten Ebene kamen nochmals 600 Millionen Euro hinzu, während die konsuminduzierten Ausgaben eine zusätzliche Kaufkraft von 500 Millionen Euro erzeugten.
Insgesamt resultierten aus der wirtschaftlichen Tätigkeit der Museen also Kaufkrafteffekte von rund 3,0 Milliarden Euro. Diese Nachfrage kommt Handel, Gastronomie, Dienstleistungen und anderen Sektoren unmittelbar zugute.
Touristische Wirkung – Museen ziehen Menschen und Geld an
Ein zentraler Bestandteil der Studie ist die touristische Wirkung von Museen – ein Aspekt, der bislang oft übersehen wurde. Auf der Basis von rund 167 Millionen Museumsbesuchen im Jahr 2023 – hochgerechnet aus den Daten des Instituts für Museumsforschung – wurde die touristische Wertschöpfung erstmals systematisch berechnet.
Die begleitenden Ausgaben touristischer Besucherinnen und Besucher – etwa für Übernachtung, Verpflegung, Transport oder Einzelhandel – führten zu 13,8 Milliarden Euro Wertschöpfung, 10,4 Milliarden Euro an Einkommenseffekten und 3,9 Milliarden Euro an zusätzlicher Kaufkraft. Zudem ergaben sich 5,7 Milliarden Euro an fiskalischen Rückflüssen in Form von Steuern und Sozialabgaben – nahezu exakt die Summe, die die öffentliche Hand im selben Jahr in Museen investierte.
Diese touristischen Impulse sichern laut Studie rund 180.000 Vollzeitstellen in anderen Wirtschaftsbereichen, etwa im Gastgewerbe, bei Verkehrsunternehmen oder im Einzelhandel.
Kosten-Nutzen-Rechnung: Investition mit Rendite
Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass öffentliche Investitionen in Museen nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind. Jeder Euro, den der Staat in Museen investiert, löst im tourismusnahen Bereich einen zusätzlichen Wertschöpfungseffekt von 2,40 Euro aus. Diese Investitionen amortisieren sich also – in vielen Fällen sogar vollständig – durch Rückflüsse in Form von Steuern, Sozialabgaben und lokaler Wirtschaftskraft.
„Für jeden Euro, den Museen an Löhnen zahlen, werden 0,38 Euro bei Vorlieferanten und 0,33 Euro im konsuminduzierten Bereich zusätzlich ausgegeben“, heißt es in der Studie – eine beachtliche Multiplikatorwirkung.
Können wir uns Museen leisten – oder können wir es uns leisten, sie zu verlieren?
Museen sind mehr als Bildungseinrichtungen oder Kulturtempel. Sie sind produktive Wirtschaftsakteure, verlässliche Arbeitgeber und touristische Attraktoren. Ihre Wirkung reicht weit über den Ausstellungsraum hinaus – in Wirtschaft, Gesellschaft und Lebensqualität.
In der Debatte um die Finanzierung von Museen sollte nicht länger nur auf symbolische Werte verwiesen werden. Die nun vorliegenden Zahlen belegen: Museen zahlen sich aus. Die Frage ist daher nicht, ob wir sie uns leisten können. Sondern vielmehr: Was würde es uns kosten, wenn wir auf sie verzichten?
In einem folgenden Artikel betrachtet das Kulturkanal-Team das Zahlenwerk der Studie runtergebrochen auf die Bundesländer und zeigt auf, wie es um die Museen in Schleswig-Holstein bestellt ist.
Quelle: Der ökonomische Fußabdruck von Museen / Das sichtbare Kapital. Studie zu den ökonomischen Wirkungen der Museumslandschaft in Deutschland. Eine Studie des Instituts für Museumsforschung, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin in Zusammenarbeit mit ICG Integrated Consulting Group.