Kulturhaus Schleswig: multifunktional, „nicht piekfein“ und für alle

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Multifunktional wird es werden, das neue Kulturhaus in Schleswig und dabei wird nicht alles neu: Beim Sanierungsumbau des ehemaligen Mannschaftsheims der Kaserne „Auf der Freiheit“ wird der bauliche Bestand genutzt, umgebaut und erweitert.

Vom Orchestergraben bis in den Bühnenhimmel

Im TechnikTalk „Vom Orchestergraben bis in den Bühnenhimmel“ (07. März, Stadtmuseum Schleswig) gab das Projektteam Einblicke in die baulichen Besonderheiten, technischen Herausforderungen und die gemeinsame Idee des neuen Schleswiger Kulturhauses. „Oh man, das soll also ein Theater werden“, schildert Architekt Klaus-H. Petersen seinen Ersteindruck. Etwas Neues aus dem Kasernenbau zu machen, sei für ihn eine spannende Aufgabe gewesen als er sich im Sommer 2019 mit seinem Lübecker Architekturbüro ppp architekten + stadtplaner gmbh um die Teilnahme am Wettbewerb bewarb: „Ja, Sie haben richtig gehört, bereits um die Teilnahme am Wettbewerb muss man sich bewerben“, erzählt er.

„Ein militärisches Gebäude in ein Kulturhaus verwandeln? Das ist eine bauliche Herausforderung. Dabei wollten wir viel von dem Alten noch sehen, behalten“, so Petersen weiter. Mit welcher Idee sein Architekturbüro schließlich überzeugte und den Wettbewerbszuschlag erhielt, zeigt er dem etwa 75-köpfigen Publikum in einem animierten Video-Rundgang durch das künftige Kulturhaus: Ein vorgeschobenes Foyer mit Sternenhimmel aus unterschiedlich großen Dachfenstern und großen Glasfronten im Eingangsbereich öffnet sich Richtung Stadt und lenkt den Blick auf die Schlei.

Das Kulturhaus Schleswig aus der Vogelperspektive, ©ppp architekten + stadtplaner

„Das ist der große Empfang, die Bühne für die Menschen. Das war uns wichtig. Das ist das Ereignis, ein Empfang mit offenen Armen und mit wenig Schwelle“, beschreibt Petersen den Grundgedanken dahinter. Für den dahinterliegenden Saal samt Bühne und Orchestergraben werden vorhandene Ebenen und Wände integriert. „Es muss ein wandelbarer Saal sein!“, das sei bei den Vorgaben zu Umbau und Budget von Anfang an klar gewesen, macht Petersen deutlich. Logistikbereiche, Gastronomie und Parkplätze sind klug um das Zentrum arrangiert. Außen zeigt sich das Theater mit einer markanten Fassadengestaltung aus schwarzen EPDM-Bahnen, die im Inneren kontrastreich mit hölzernen Wänden kombiniert werden.

„Es wird nicht so piekfein, es wird ein Haus für alle und eben kein hochpoliertes, verziertes Theater.“

Klaus-H. Petersen

Das Erwartbare statt Ringen um Superlative

„Bei einem Theaterbau geht es um das Gesamterlebnis“, betont auch Bühnen- und Theaterplaner Reinhold Daberto (Raum und Szene, Neuried), der sich seit 2021 mit der technischen Ausstattung des Hauses befasst. Er schlägt vor, den animierten Rundgang ein zweites Mal zu zeigen – dieses Mal mit dem Blick auf die zugehörige Theatertechnik. „Im Foyer gehört die Bühne Ihnen!“ und im Saal gehe es darum, die Bühne „flach zu machen“, „bewusst im gleichen Raum sein, ohne Grenze“, das brauche das gemeinsame Erlebnis, um auch ein „echtes Gemeinschaftserlebnis“ zu werden, so Daberto weiter.

Die beiden Architekten scheinen auf einer Welle zu sein, wenn sie davon sprechen „Atmosphäre zu erzeugen“. Von technischer Seite seien die Erwartungen in Schleswig sehr klar gewesen, berichtet Daberto: Das Schleswig-Holsteinische Landestheater und Sinfonieorchester reist, entsprechend braucht es das „Erwartbare“, um an allen Spielorten dieselben Möglichkeiten vorzufinden. Überhaupt spricht der Fachmann für Bühnenbauten von einem „vernünftigen Maß hier in Schleswig“ und freut sich, dass es hier nicht um das „Ringen um Superlative“ geht, wie er es zuhauf aus anderen Städten kennt. Auch Petersen fühlt sich merklich wohl mit den Schleswiger Anforderungen: „Es wird nicht so piekfein, es wird ein Haus für alle und eben kein hochpoliertes, verziertes Theater.“

Die TechnikTalkrunde (v.l.n.r.): Julia Pfannkuch, Reinhold Daberto, Ute Lemm, Klau-H. Petersen

Um das „Erwartbare“ und die Anforderungen des neuen Kulturhauses als Spielstätte für das Landestheater ging es auch auf einer gemeinsamen Tour, die das Team während der Planungsphase machte. Besucht wurden die Spielstätten in Flensburg, Rendsburg, Husum, Neumünster und Itzehoe. Dabei wurde vor allem auch auf das geschaut, was nicht funktioniert und dorthin, wo es aktuell hakt. In Itzehoe gibt es beispielsweise keinen Bühnenturm und in den Schleswiger Interimsspielstätten ist das Aufführen von Musiktheater baulich nicht möglich. „Das Theater wurde frühzeitig in die Planungen eingebunden – schönerweise!“, hebt Dr. Ute Lemm, Generalintendantin des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters hervor, die auch als Moderatorin durch den Abend führt.

„Fürs Musiktheater brauchen wir akustisch eine lange und fürs Sprechtheater eine kurze Nachhallzeit“, beschreibt Daberto die akustischen Anforderungen. Neben durchgängig guter Akustik sei im Schleswiger Theatersaal auch für durchgängig gute Sichtverhältnisse gesorgt. Die fahrbare Teleskoptribüne ermöglicht insgesamt neun verschiedene Bestuhlungsvarianten und auch Orchestergraben und Bühne sind wandelbar. „In zwei Stunden ist der Umbau vom Theater- zum Ballsaal gemacht“, antwortet Daberto auf Nachfrage und Petersen fügt hinzu: „Eingefahren sieht die Teleskoptribüne aus wie ein schönes Regal.“ Sämtliche Elemente sind barrierefrei geplant, inklusive Bühne und Orchestergraben.

Das Kulturhaus ist für alle da – mehr als Theater

Von Seiten der Stadt stellt Dr. Julia Pfannkuch nochmals die Mehrfachnutzung heraus hinter der ein „breiter Kulturbegriff“ steht: „Das Kulturhaus ist für alle da. Insofern müssen wir auch allen etwas bieten“, und dank der durchdachten Multifunktionalität eigne sich der Bau eben auch für Großveranstaltungen wie die Gala der Ballettschule oder Schulabschlussbälle, und „dann feiert man endlich wieder hier in Schleswig und nicht andernorts.“ Pfannkuch ist Fachbereichsleiterin Bildung, Kultur und Ordnung der Stadt Schleswig und hat in dieser Rolle zudem die Gesamtprojektleitung für das Kulturhaus inne. An diesem Abend ist sie spontan für ihre Kollegin, die Architektin Beate Meier, eingesprungen. „Als Projektleitung Bau in unserem Projektteam Kulturhaus ist Frau Meier die Antreiberin“, betont sie. „Wir haben eine gute Projektstruktur geschaffen. Aber dieses Vorhaben machen wir nicht so nebenbei. Es beeinflusst alles, was Stadtplanung betrifft. Alle Disziplinen zusammenzuführen – das schafft Frau Meier!“

Graue Energie

Architekt Petersen gibt noch einen Einblick zum Thema Nachhaltigkeit und „grauer Energie“: „In den erhaltenen Bauteilen des Kulturhauses stecken 1.100 Tonnen CO2. Um das greifbar zu machen: Damit kann man 87-mal mit dem Auto um die Erde – auf Äquatorhöhe – fahren oder aber 25.000-mal von Lübeck nach Schleswig. Das ist die Dimension, die wir nicht bauen bzw. nicht zerstören.“ Auch die Wahl der neuen Baustoffe wurde laut Petersen mit Bedacht getroffen: „Wir wollen eine gute Rückführbarkeit, eine gute Lebenszyklusbilanz, deshalb bauen wir z.B. mit Seekieferplatten, achten auf rückführbare Konstruktionen und verzichten auf Verklebungen.“

Innenraumperspektive, ©ppp architekten + stadtplaner

Und wann geht´s los?

2026 soll das Kulturhaus eröffnet werden. Bestenfalls im Frühjahr, spätestens im Sommer beginnt die Bauphase. Nein, genauer könne man das bei der komplexen Zusammensetzung unterschiedlicher Fördertöpfe heute nicht sagen, erklärt Pfannkuch: „Wir brauchen alle Zusagen, um loszulegen. Wir müssen die Spielregeln einhalten und dazu gehört es eben auch, die Beschlüsse abzuwarten. Und das ist ja auch nicht unwichtig, wenn wir mit öffentlichen Geldern hantieren.“ Und Petersen bestätigt: „Wenn alles da ist. Wir sind startbereit.“ Ein Mann aus dem Publikum erhebt sich, stellt sich vor als „auch ein Beamter der Stadt“: „An uns liegt´s nicht! Hier in Schleswig sind sie nicht langsam, die Beamten“, sagt er unterstreichend und mit Nachdruck, erntet Applaus und setzt sich gleich wieder. Applaus erntet auch die Gesprächsrunde. Das Projektteam wirkt ebenso eingespielt wie engagiert und hinterlässt an diesem Abend einen kompetent-bodenständigen Eindruck: Getragen von einer gemeinsamen Welle scheinen sie zu sein, die Ideen und Überzeugungen von Daberto, Petersen, Pfannkuch und Lemm.

Wenn der Bau fertig ist, möchte Daberto übrigens in Reihe sieben sitzen, Petersen freut sich auf den feierlichen Moment der Schlüsselübergabe und setzt sich dann entweder neben Daberto in Reihe sieben oder an die Bar. Pfannkuch freut sich erst einmal auf die nächste Baustellenführung, dann auf die Baustellenparty Silvester 2025/26 und schließlich auf die Eröffnung 2026. Dann ist die Schließung des Theatergebäudes im „Lollfuß“ 15 Jahre her.

Hintergrundinformation:

Im Sommer 2011 musste das Schleswiger Theatergebäude wegen Baufälligkeit und unsicherer Statik geschlossen werden, 2015 folgte der Abriss. Seit 2012 finden Aufführungen des Schleswig-Holsteinischen Landestheater und Sinfonieorchesters in Interimsspielstätten statt: Schauspielaufführungen werden im dänischen Kulturzentrum Slesvighus aufgeführt, das Sinfonieorchester spielt seine Konzerte im Gebäude des dänischen Gymnasiums A. P. Møller Skolen. Musiktheater ist weder an dem einen noch dem anderen Ort in Schleswig aufführbar. Dafür müssen die Menschen aus Schleswig und Umgebung per Bustransfer nach Rendsburg oder Flensburg reisen.

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