Menschen im Kulturbetrieb: Buchhändlerin Sophie Kühl

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Der Weg zur Buchhandlung ist steinig. Und staubig. Mit der Baustelle dicht vor dem Laden hat Sophie Kühl nicht gerechnet, als sie sich im Jahr 2022 entschied, die „Coburgsche Buchhandlung“ in Rendsburg zu übernehmen. Seither lernt die 55-jährige Quereinsteigerin jeden Tag etwas Neues über freundliche Norddeutsche, Kleinstadt-Lesegewohnheiten und Weihnachtseinkäufe im April.

Zentrale Lage in der Fußgängerzone: Die Coburgsche Buchhandlung. Foto: Geißlinger

Es ist einer dieser Tage, an denen alles gleichzeitig passiert. Ein Verlags-Vertreter sitzt im Laden und stellt die Kalenderkollektion für 2025 vor. Die Chefin des benachbarten Weltladens kommt vorbei. Sie will mit Sophie Kühl über eine Veranstaltung Ende April sprechen, eine Lesung mit Musikprogramm in der Buchhandlung, für die der Weltladen fair gehandelten Wein liefert. Mit solchen Veranstaltungen wollen die Geschäftsfrauen gemeinsam mit dem Lebensmittel-Markt gegenüber des Buchladens ihren Teil der Rendsburger Fußgängerzone beleben. Schließlich soll die Kundschaft nicht vergessen, dass die Einkaufsmeile hinter der Baustelle auf dem Platz am Alten Rathaus der Kreisstadt noch weitergeht.

„Feministische Titel laufen erstaunlich gut. Und Literatur mit regionalem Bezug.“

Sophie Kühl über die Rendsburger Lesegewohnheiten

An diesem Tag ist jede Menge Kundschaft im Laden: Frauen, die am Belletristik-Regal in Krimis blättern, eine Mutter mit ihrem Grundschulkind, die in der Leselern-Abteilung stehen bleiben, ein älterer Herr, der nach einem Sachbuch fragt. Die „Coburgsche Buchhandlung“ ist klein, aber Sophie Kühl versucht, möglichst viele Bücher in den zwei Räumen unterzubringen. „Wir haben ein allgemeines Sortiment, aber auch viele regionale Titel, Reiseführer, Fahrradkarten und Plattdeutsch“, sagt die gebürtige Hamburgerin. Sie staunt oft darüber, wie breit das Interesse des Rendsburger Lesepublikums ist: „Feministische Titel laufen erstaunlich gut. Männer suchen Sachbücher zu Geschichte und Politik. Und Literatur mit regionalem Bezug, etwa die Titel von Dörte Hansen, sind sehr beliebt.“

Breites Sortiment: Krimis, Reiseführer und ein Regal für „New Adult“. Foto: Geißlinger

Eigentlich ist Sophie Kühl Juristin. Sie hat viele Jahre als Anwältin gearbeitet, danach war sie Justiziarin eines Unternehmens in Sachsen, das große Windparkprojekte begleitete und umsetzte. Eine Aufgabe, die ihr Spaß machte, aber dennoch sei Zeit für etwas Neues gewesen: „Ich wollte zurück in den Norden“, sagt die gebürtige Hamburgerin. Gelesen habe sie schon immer gern. Also wurde sie Buchhändlerin. Bei der Suche nach dem passenden Standort stieß sie auf Rendsburg und die „Coburgsche Buchhandlung“. Deren frühere Besitzerin wollte das Unternehmen aus Altersgründen abgeben, Kühl griff zu. Das war vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, vor Energiekrise, Inflation und vor der Baustelle vor der Tür.

Das Geschäft ist mehr als 160 Jahre alt

In der Kreisstadt Rendsburg mit ihren knapp 30.000 Einwohner:innen gibt es drei Buchhandlungen, die alle in der Fußgängerzone liegen. Die Coburgsche ist die älteste unter ihren, vielleicht sogar die älteste in Schleswig-Holstein, so steht es zumindest auf der Homepage. Dort findet sich auch die Zeitungsmeldung aus dem Jahr 1862, in der der Gründer Emil Ehlers erklärt, dass er sich trotz der „eigenthümlichen Zustände in meiner Heimath“ – Schleswig-Holstein kämpfte um die Unabhängigkeit von Dänemark und wurde 1862 Preußen angegliedert – an einen „längst gehegten Plan“ wagt und den eigenen Laden eröffnet. Genau 160 Jahre später erfüllte sich Sophie Kühl am selben Ort ihren Traum vom eigenen Geschäft.

Doppelstrategie: Sophie Kühl setzt auf Social Media und Veranstaltungen im Laden. Foto: Geißlinger

Auf den ersten Blick hat die neue Chefin im Laden nicht viel geändert. „Ich wollte den Charme erhalten“, sagt Kühl. Aber neue Leitungen hat sie legen lassen und dafür gesorgt, dass die Computer schneller laufen: „Früher konnte man Emails nur im Keller lesen.“ Digitalisierung und der Auftritt auf Social-Media-Plattformen sind wichtige Bausteine ihres Werbe-Konzepts. Es koste Zeit und dauere eine Weile, Reichweite zu erzeugen, sagt die Buchhändlerin. Dennoch ist sie sicher, dass der Weg richtig ist. Hinzu kommt ein weiterer Baustein: Kooperationen.

Bei Veranstaltungen im örtlichen Jüdischen Museum stellt Kühl einen Büchertisch mit Literatur zum Thema auf. Lesungen finden gemeinsam mit der Stadtbücherei statt. Für die Veranstaltungen im eigenen Laden tut sich die Buchhändlerin mit dem Landestheater und der örtlichen Musikschule zusammen. „Die Norddeutschen sind nicht so reserviert, wie es heißt“, sagt sie. „Ich habe schnell Kontakte geknüpft.“

Die große Frage: Was bringt Kund:innen ins Geschäft?

Doch es bleibt ein grundsätzliches Problem. Dem klassischen Handel in der Fußgängerzone fällt es immer schwerer, die alte Kundschaft zu halten und neue zu gewinnen. Auch in Rendsburg stehen viele Geschäfte leer. Besonders die jüngeren Lesefans informieren sich lieber bei Booktok über neue Titel und bestellen sofort im Netz, als in einen Laden zu gehen. Um diese Zielgruppe zu erreichen, hat Kühl ein Regal für so genannte New Adult-Titel frei gemacht. Es sind Bücher mit oft bunten Covern, hinter denen heiße Liebesgeschichten und coole Killer auf ihre überwiegend weibliche Leserschaft warten. Ob das auf Dauer klappt, muss die Zeit zeigen.

Kund:innen im Kaufrausch – davon träumt jede Buchhändlerin.

Erste Kenntnisse im Buchhandel hat die Juristin Kühl bei einem Praktikum gesammelt, bevor sie den eigenen Laden übernahm. Bei der Wahl der richtigen Bücher helfen die Tipps der Verlagsvertreter:innen, außerdem das eigene Gespür und die Erfahrungen ihrer Mitarbeiterinnen. Alle lesen gern und viel: „Zum Glück mögen wir alle unterschiedliche Genres und können uns gegenseitig neue Bücher vorstellen“, sagt Kühl. Sie liest immer noch gern und viel, aber anders als früher: „Meist nur noch Anfang, Mitte, Schluss.“

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