Unternehmensberater und Festivalleiter Matthias Dworzack

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„Klein, fein – hochkarätig“ titelte eine Hamburger Zeitung über die Wedeler Musiktage. Und in der Tat kommt das Festival in der kleinen Elbstadt westlich der benachbarten Metropole mit einem ebenso vielfältigen wie eigenen Programm daher wie auch mit Spielorten jenseits der klassischen Konzertsäle. Denn sein künstlerischer Leiter Matthias Dworzack zeigt einen feinen Sinn für ungewöhnliche, gleichwohl akustisch bestens geeignete Spielstätten, ein gutes Näschen für Entdeckungen junger Künstler und die nötige Erfahrung für unvergessliche Erlebnis dies- und jenseits der Bühne: Schließlich sang der 62-Jährige einst selbst im Stuttgarter Kammerchor, Deutschlands renommiertestem Kammervokalensemble – und weiß nicht zuletzt aus eigener Erfahrung nur zu gut, was Musikerinnen und Musiker bei einem Auftritt ganz besonders schätzen. Vor dem großen Finale der diesjährigen Musiktage am kommenden Wochenende hat Kulturjournalist Christoph Forsthoff den studierten Kirchenmusiker und promovierten Betriebswirtschaftler zum Gespräch über die Festival-Leidenschaft des Unternehmensberaters getroffen.

Christoph Forsthoff: Gemeinhin scheinen Kultur und Wirtschaft zwei einander ferne Welten zu sein – auf der einen Seite die Feingeister, die sich allein den schönen Dingen des Lebens widmen, auf der anderen die kühl kalkulierenden Herren und Damen der Zahlen, die knallhart rechnen und bei denen am Ende unterm Strich ein möglichst großes Plus auftauchen muss. In Ihrem Leben indes haben diese beiden scheinbar so gegensätzlichen Welten zueinander gefunden – hatten Sie das seinerzeit bereits zum Beginn Ihres Kirchenmusik- und Gesangsstudiums an der Essener Folkwang Universität der Künste geplant?

Matthias Dworzack: Geplant sicher nicht, doch schon während des Studiums tauchte in einem Semester die Aufgabe auf, ein Kulturfestival zu organisieren – und am Ende dachte ich: ‚Das kann ich.‘ So habe ich wenig später dann in Mühlheim die Reihe „Serenaden an der Ruhr“ erfolgreich initiiert: Eine Konzertserie, die eben nicht in den klassischen Sälen stattfand, sondern in Hangars und Depots. Meine Idee war, Musik wirklich neu hörbar zu machen durch einen Orts- und damit auch atmosphärischen Wechsel – und damit habe ich offenbar den Nerv von vielen Menschen getroffen.

Christoph Forsthoff: Was Ihnen aber damals offensichtlich noch nicht genügte, denn Sie haben ein paar Jahre darauf in Essen auch noch Betriebswirtschaft studiert, durchaus mit dem Ziel die bereits gewonnenen Kenntnisse aus dem Kulturbetrieb mit dem Kaufmännischen zu verbinden. Doch infolge der kulturellen Sparmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen haben Sie die Intendanten-Pläne dann erstmal hintenangestellt und sind stattdessen als Unternehmensberater gen Norden gezogen. ‚Wir haben uns sogleich in Wedel verliebt‘, sagen Sie selbst – kein Wunder also, dass Sie dann hier 2020 die Leitung der Wedeler Musiktage übernommen haben. Eines kleinen Festivals, das allerdings bis dahin jenseits der Grenzen der Kleinstadt nicht unbedingt für größeres kulturelles Aufmerken gesorgt hat. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?

Matthias Dworzack: Ich hatte schon in den zehn Jahren davor in Wedel wieder angefangen, Musik zu machen. Von daher war dies dann der logische nächste Schritt, meine einstige Idee aus Studienzeiten wieder aufzunehmen und das Konzept der Musiktage weiterzuentwickeln und ihnen auch neue Impulse zu geben. Mein Festival-Gedanke war und ist: Spitzenkunst und Begegnung von Menschen zusammenzubringen – nicht zuletzt mit der Hoffnung, dass das Publikum erkennt: Es muss eben nicht immer die große Metropole sein, um großartige Qualität zu erleben, sondern auch vor der eigenen Haustür lassen sich erfüllende Konzerterlebnisse machen.

Christoph Forsthoff: Ein Konzept, das offenbar ankommt – 2023 konnten Sie die Besucherzahlen verdoppeln, in diesem Jahr haben Sie den Ticketabsatz noch einmal gesteigert. Und auch die lokale Wirtschaft scheint mitzuziehen: Während andernorts Festivalveranstalter seit Corona eher eine Zurückhaltung in puncto Sponsoring verspüren, zieht der Einzelhandel hier im Ort mit…

Matthias Dworzack: …ja, tatsächlich ist es gar nicht so schwierig, in Wedel Sponsoren zu gewinnen – unser neues Musiktage-Konzept erfreut sich wirklich großer Begeisterung. Vor allem aber: Alle Unterstützer kommen hier aus der Gegend – von Privatpersonen bis hin zu mittelständischen Unternehmen, die Stadt und den Kreis Pinneberg natürlich nicht zu vergessen. Mittlerweile kommen Sponsoren sogar auf mich zu und sagen: ‚Hier ist das Geld – mach‘ etwas Tolles daraus!‘

Christoph Forsthoff: Was Ihnen offenbar auch gelingt mit Ihrer Mischung aus Großveranstaltungen wie „Wedel singt“ und feinen kleinen Kammermusikevents wie in diesem Jahr den Konzerten des Mandolinisten Alon Sariel oder der Cellistin Sandra Lied Haga, die demnächst ihr Debüt in der New Yorker Carnegie Hall gibt – oder am Sonntag auch zum Finale den Auftritten von John Neumeiers Bundesjugendballett.

Matthias Dworzack: Meine grundsätzliche Überzeugung ist einfach, dass Qualität auch ihr Publikum findet. Überall im Land finden sich kleine und mittelgroße Festivals mit einem persönlichen, handgemachten Charakter, die mit viel Herzblut organisiert wurden – und ich bin überzeugt, dass es auch immer Menschen gibt, die diese Atmosphäre und diese persönlichen Begegnungen schätzen.

Christoph Forsthoff: Zweifellos spielt das persönliche Moment wie auch die unmittelbare Nähe zu den Künstlern gerade in den kleineren Konzertstätten eine große Rolle für die Begeisterung des Publikums, denn solche Erlebnisse sind in riesigen Sälen wie der Elbphilharmonie einfach nicht möglich.

Matthias Dworzack: Bei uns ist eben qualitativ hochwertige Musik hautnah erlebbar – und diese von Publikum wie Künstlern gleichermaßen gewünschte Nähe findet bei uns immer mehr Gefallen und Zuspruch. Das zeigt sich auch in ganz persönlichen Erlebnissen unserer Musiker: Im vergangenen Jahr hatten wir Elisabeth Champollion, eine der führenden deutschen Blockflötistinnen, mit ihrem Ensemble Volcania zu Gast. Am Tag nach dem Konzert saß sie morgens zum Frühstück in einem Café am Wedeler Mühlenteich – und während sie dort die spätsommerlichen Temperaturen genoss, gratulierten ihr nicht allein ein halbes Dutzend Besucher, die zufällig vorbeikamen, zum Auftritt am Vorabend, sondern ein Ehepaar zeigte sich so begeistert, dass sie ihr spontan noch einen großen Eisbecher spendierten.

Christoph Forsthoff: Eine Nähe und Spontaneität, wie sie wohl in der Tat nur bei einem kleinen Festival zu erleben ist – und die Sie durch Ihre Spielstätten-Auswahl noch einmal intensivieren. So haben Sie im vergangenen Jahr die Friedhofskapelle im Autal als Konzertort entdeckt: ein schlichter Bau, der mit dem figürlich gestalteten Rosettenfenster des Glasmalers und Bildhauers Siegfried Assmann im Altarraum dem Besucherblick einen Fokus bietet, der die Konzentration auf die Musik weiter vertieft – und in diesem September haben Sie nun erstmals die Kapelle auf dem Waldfriedhof für die Musik erschlossen…

Matthias Dworzack: …deren ikonische Form einen schon vor dem Betreten des Raums fasziniert – und wer dann dort eintritt, ist einfach hingerissen von den Eindrücken, die aus dem Zusammenspiel der zwei sich gegenüberliegenden gleichschenkligen Dreiecke sowie der unbeschwerten Konstruktion aus anthrazitfarbenen Metallschindeln und hellem unbehandelten Tannenholz entstehen. Und erfüllt vom Blick durch die vollkommen verglaste Rückseite des Baus in den Wald und auf ein großes, hölzernes Kreuz zwischen den Bäumen. Eine Naturerfahrung, die im Konzert das Hörerlebnis mit all seinen Gedanken sich noch fokussierter als in jeder Philharmonie auf die Musik konzentrieren lässt.

Die Waldkapelle in Wedel. Quelle: Kapelle auf dem Waldfriedhof in Wedel – acollage. architektur und urbanistik

Christoph Forsthoff: Eine Entdeckungsfreude, die Sie am kommenden Abschlusswochenende der Musiktage auch in den Hamburger Yachthafen am Wedeler Elbufer führen wird – und zwar in die Jensen Werft. Gemeinhin widmen sich Bootsbau-Meister Thorsten Jensen und seine Crew dort dem Bootsbau sowie der Reparatur und Pflege der Schiffe, arbeitet mit Tradition wie mit modernster Technik an Holz, Kunststoff und Metall. Entsprechend findet sich in dieser Werfthalle für jede Reparatur ein Utensil…

Matthias Dworzack: …und so werden die Besucher der Wedeler Musiktage vor lauter Schauen und Staunen Mühe haben, sich auf die Musik von Tolga During und seinem OttoMani Quartett zu konzentrieren. Was sich aber unbedingt lohnt, denn dieses Jazz-Ensemble bietet zeit- und grenzenlose Musik von orientalischer Schönheit. Und da uns Petrus ja offenbar noch einmal einen stimmungsvollen Spätsommerabend bescheren wird, kann ich allen nur ans Herz legen, vor und nach dem Konzert sowie in der Pause unbedingt noch einmal ein paar Schritte hinter die Werft zu machen: Ein romantischerer Blick über die Elbe findet sich nirgendwo sonst im Yachthafen.


Zum Restprogramm der Wedeler Musiktage.

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