Gewachsene Vergangenheit im Hochdorfer Garten

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Die Seele baumeln lassen und die Natur genießen. Sich auf Pfade der Vergangenheit begeben und von der Einzigartigkeit eines besonderen Ortes in den Bann ziehen lassen. All das ist möglich im 953 Einwohner zählenden Ort Tating auf der Halbinsel Eiderstedt. Denn hier ist der Hochdorfer Garten zu finden, der neben dem Schlossgarten Husum und dem Künstlergarten von Ada und Emil Nolde in Seebüll eines der bedeutendsten Gartendenkmale Nordfrieslands ist.

Der Erkundungsgang der barocken Gartenanlage beginnt an einer von zwei Lindenalleen. Foto: Johanna Ritter

Wir beginnen unseren Erkundungsgang durch die 250-jährige Geschichte des Landschaftsparks und seiner barocken Gartenanlage an einer von zwei Lindenalleen. Schon nach wenigen Schritten werden wir uns bewusst, dass wir in einem Kleinod der ganz besonderen Art unterwegs sind. Staunend und fasziniert von der Vielfalt, die dieser Gartenpark zu bieten hat, schauen wir uns um. Fast märchenhaft führt eine weiße Holzbrücke über eine Graft und spiegelt sich im Wasser des Grabens. Lindenlauben und Kopflindenrondelle ziehen uns magisch an. Wir stellen uns vor, wie mystisch diese Linden wohl nach ihrem Rückschnitt und in der Winterzeit aussehen werden.

Brücke über die Graft. Foto: Hans-Georg Hostrup (Richardsen-Bruchwitz Stiftung)

Am Ende der Allee erreichen wir einen mächtigen Haubarg. Erbaut im Jahr 1764 war er einst einer der größten Haubarge Eiderstedts und gehörte zu den größten Bauernhäusern der Welt. Garten und Haubarg befanden sich zwei Generationen lang im Besitz der Familie Richardsen, später Richardsen-Bruchwitz. Heute sind Garten und Park der gleichnamigen Richardsen-Bruchwitz-Stiftung unterstellt, deren Stiftungsurkunde im Jahr 1906 von Kaiser Wilhelm II. an Bord seiner Yacht Hohenzollern unterzeichnet wurde. Seit zwanzig Jahren ist der gebürtige Tatinger Hans-Georg Hostrup, der auch als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Baupflege Nordfriesland Dithmarschen fungiert und zugleich Kuratoriumsmitglied im Denkmalfonds des Landes Schleswig-Holstein ist, mit Herzblut erster Vorsitzender der Stiftung und steuert deren Geschicke.

„Ich schätze mich glücklich, dass ich mich für den Erhalt und die Weiterentwicklung des Gartens einsetzen darf, so wie es sich die Eigentümer vor 120 Jahren vorgestellt haben“, sagt er und erklärt, dass dies ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer, die Förderer und Sponsoren nicht möglich wäre. „Seit zehn Jahren haben wir ein tolles ehrenamtliches Pflegeteam, das sich einmal wöchentlich trifft, um die Rabatten zu pflegen. Nur so kann es funktionieren“, ist er sich sicher. Dabei denkt er zurück an die 90-er Jahre, in denen der Hochdorfer Garten durch ein bauhistorisches Gutachten und ein Entwicklungs- und Pflegekonzept aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde.

Der persönliche Lieblingsplatz von Hans-Georg Hostrup im Tatinger Kleinod ist das Mittelrondell mit den Hortensien und der 140 Jahre alten Sumpfzypresse. „Das ist ein fantastischer Baum, der erst spät im Jahr, Ende Mai, mit zartem Grün austreibt. Es braucht zwei Personen, um den Stamm ganz zu umfassen“, erklärt er. Baummäßig hat dieser Landschaftspark das ganze Jahr über für jeden Geschmack etwas zu bieten. So gilt es Nadel- und Laubgehölze, Obstbaumquartiere und exotische Zierpflanzen zu entdecken.

Haubarg aus dem Jahr 1764 mit akkurat in Kugelform geschnittenen Buchsbäumen. Foto: Hans-Georg Hostrup (Richardsen-Bruchwitz Stiftung)

Weiter geht’s auf unserer Entdeckungsreise. Wir schenken den akkurat in Kugelform geschnittenen Buchsbäumen, die an der Front des Bauernhauses Spalier stehen noch kurz unser Augenmerk. Dann begeben wir uns in den Hexenwald und lassen unserer Phantasie freien Lauf. Wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, dass gerade das Naturbelassene den Charme dieses Parks ausmacht. „Wobei trotz aller Natürlichkeit achtzig Prozent der Wege auch bei schlechtem Wetter begehbar sind“, so Hans-Georg Hostrup.

Wenig später erblicken wir die ersten Obstbäume und erfahren einerseits, dass zum einhundertjährigen Stiftungsjubiläum im Jahr 2005 neue regionale Sorten nachgepflanzt wurden. Andererseits, dass die Apfelsorte „Gravensteiner“ aus dem Hochdorfer Garten zur Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 den ersten Preis erhielt. Wir folgen dem Rundweg und sehen eine Anhöhe, auf der eine Backsteinruine thront. Diese könnte bei so manchen Gartenbesuchern den Anschein erwecken, bereits viele Jahrhunderte auf dem Buckel zu haben. Doch weit gefehlt. Das Bauwerk wurde um 1900, in Anlehnung an ein Gemälde des bekannten Malers Caspar David Friedrich, errichtet.

Der Blick fällt auf eine Backsteinruine. Das Bauwerk wurde um 1900, in Anlehnung an ein Gemälde des bekannten Malers Caspar David Friedrich, errichtet. Foto: Johanna Ritter

Durch ein offenes Rundbogenfenster haben wir direkten Sichtkontakt mit dem ehemaligen Sommerhaus der einstigen Eigentümer, dem Schweizer Haus, in dem sich heute ein Galerie-Café befindet. Wir sehen Spazierende und Café-Gäste, die es sich in diesem besonderen Park gut gehen lassen. „Unser Hochdorfer Garten bietet Erholungswert für Körper und Seele. In Kombination mit dem Barockgarten, der Ruine, dem Schweizer Haus und dem Haubarg, ist dies unser Alleinstellungsmerkmal“, sagt Hans-Georg Hostrup.

Natur, Vergangenheit und Gegenwart gleichen einer Komposition und fügen sich gekonnt zusammen. Ein Besuch ist somit immer lohnenswert. „Für 2025 ist wieder Theater im Park und ein Parkfest geplant“, verrät der Stiftungsvorsitzende. Brandaktuell beteiligt sich der Hochdorfer Garten an dem Projekt „Blickweit“ Skulpturen für den Norden. Im Zuge dessen wird in diesem Monat eine 900 Kilogramm schwere stählerne Baumskulptur, des in Frankreich lebenden Stahlbildhauers Robert Schad, aufgestellt werden. Neunzehn weitere finden ihre Plätze an ausgewählten Standorten im öffentlichen Raum von Nordfriesland bis ins südliche Dänemark. Neben dem Team um Hans-Georg Hostrup, freut sich auch der Bildhauer selbst, dass „POMRIK“ sein Baum aus Stahl seinen Platz inmitten der Obstbäume des Hochdorfer Gartens finden wird.

Somit geht es im Ort Tating auch in den letzten drei Monaten des Jahres bewegt zu.

Der Hochdorfer Garten wird sich seinen Besuchern im Jahresendgewand zeigen und ein stählerner Baum wird zum Highlight unter Seinesgleichen. Schlussendlich wird dem Tatinger Hans-Georg Hostrup im November der Hans-Momsen-Preis, die höchste Auszeichnung des Kreises Nordfriesland für Verdienste um das Kulturleben, im Husumer Schloss verliehen. Hut ab vor einem kleinen besonderen Ort und gewaltigem ehrenamtlichen Engagement!

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