Mit dem Neujahr ist es so eine Sache. Eigentlich ein sehr willkürlicher Termin. Denn unser neues Jahr beginnt im Januar aufgrund einer historischen Entwicklung im Römischen Reich. Im Jahr 153 vor Christus verlegten die Römer den Jahresbeginn vom 1. März auf den 1. Januar, weil an diesem Tag traditionell neue Konsuln ihr Amt antraten. Julius Caesar bestätigte diese Entwicklung mit einer Kalenderreform. Die endgültige Festlegung erfolgte 1691 durch Papst Innozenz XII in Rom. Und das ist nur die westliche Sicht. China, das Judentum und noch viele andere Kulturen kennen unterschiedliche Jahreswechsel.
Nun also, bei uns ist es der Januar, der alles neu macht. Und, wie heißt es doch so schön bei Hermann Hesse: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Das gilt dann auch für das neue Kulturjahr, und erst recht für die Kultureinrichtungen im Land. Denn am 1. Januar beginnt auch das Haushaltsjahr neu und die Zeit wird zeigen, ob Finanzierungen, Zuwendungen, Eigenkapitalquote, Liquidität auskömmlich sind. Die Hoffnungen sind ebenso groß wie die Befürchtungen.
Das SHMF wird uns nach Istanbul entführen (und bringt gleich zu Beginn des Sommers mit Sting einen – leider ausverkauften – „Knaller“ mit Sting nach Kiel), die Landesmuseen auf Schloss Gottorf zeigen uns die Wikinger neu und anders, die Theater werden wieder gewohnt großartige Spielzeiten anbieten und überhaupt ist die schleswig-holsteinische Kulturszene so vielfältig, dass sie hier detailliert kaum aufgezeichnet und gewürdigt werden kann. Schon zum Jahresbeginn bringt der Landesmusikrat mit der „Stimme“ als dem „Instrument des Jahres“ einen fulminanten Auftakt. Nicht nur, weil die Stimme die Grundlage so vieler Gestalten von Kunst ist. Nein, die „Stimme“ ist das Wesen der Kunst, egal, ob sie in Tönen, in Bildern oder verschriftlicht vorgetragen wird. Kunst erhebt Ihre Stimme überall und schafft damit Kultur. Denn nur, wenn wir uns austauschen, wird unser Zusammenleben lebendig, nur, wenn wir reflektieren, wird unser Zusammenleben erträglich und nur, wenn wir uns erinnern wird unser Zusammenleben zukunftsfähig.
In einer zentralen Szene des Musical-Klassikers „La La Land“ singt die Hauptfigur Mia ein Lied, mit dem sie sich für eine Schauspielrolle qualifiziert. „The fools who dream“ lautet das Stück und es handelt von der Tante der Protagonistin, die ihr Leben in Paris verbracht hat. Der Refrain beschreibt so vieles, was die Kunst ausmacht, die uns bereichert und anregt:
Ein Hoch auf diejenigen, die träumen,
mögen sie auch töricht scheinen!
Ein Hoch auf die Herzen, die schwer sind –
ein Hoch auf das Chaos, das wir anrichten!
Das neue Jahr beginnt, wenn auch sehr zufällig. Mit ihm beginnt das Kunst- und Kulturjahr. Und ja, da liegt doch ein Zauber drinnen. Neu anfangen, Fehler vermeiden, neue Fehler machen, Neues Lernen, nicht aufgeben, sich anregen und auch unterhalten lassen. Ein Hoch auf alle Künstlerinnen und Künstler im Land, seien sie Profis oder Amateure (die qua definitionem Liebhaberinnen und Liebhaber dessen sind, was sie tun), selbst wenn es uns in einer durch und durch ökonomisierten Welt töricht erscheint, die Zeit für Schönes zu „verschwenden“, welches keinen fiskalischen Ertrag bringt. Ein Hoch auf alles, was mit Herzblut und spielerischem Ernst geschieht und vor allem das Chaos, das wir brauchen, um endlich aufzuwachen.
Ich freue mich auf das neue Kulturjahr 2025.