Am 13. Februar erscheint ein neuer Roman von Feridun Zaimoğlu, Sohn ohne Vater: eine fast glaubwürdige Reise von Kiel nach Edremit zum Grab des verstorbenen Vaters – in einer artifiziellen Sprache.
Die Geschichte: Ein Kieler Schriftsteller bekommt einen Anruf von seiner Mutter. Der Vater ist verstorben – in der Türkei, wo die Eltern wieder leben, nachdem sie in den 1970er Jahren mit ihren Kindern nach Deutschland migriert waren. Für den Schriftsteller, nun ein Sohn ohne Vater, steht sofort fest: Er muss zum Grab, sich verabschieden. Doch er hat Flugangst – und so organisieren zwei seiner Freunde eine Autofahrt in die Türkei.

Feridun Zaimoğlu: Sohn ohne Vater
Köln 2025: Kiepenheuer & Witsch
288 Seiten, 24 Euro
ISBN: 978-3-462-00588-2
5.200 Kilometer hin und zurück
Das Motiv der Reise nach dem Tod einer nahestehenden Person ist nicht neu. Wir kennen es aus Jasmin Schreibers Marianengraben und Khaled Khalifas Der Tod ist ein mühseliges Geschäft und sicherlich vielen weiteren Geschichten. Das Besondere an Zaimoğlus Geschichte: Sein Erzähler, der Sohn ohne Vater, muss gemeinsam mit einem Freund ganze 5.200 Kilometer zurücklegen, von Kiel nach Edremit und wieder zurück.
Vor und während dieser Reise geschieht einiges Unvorhersehbares, Konflikte mit Freunden, Fremden und Behörden müssen gelöst werden. Aber vor allem besteht die Geschichte aus sich aneinanderreihenden Erinnerungen, während der Autofahrt ausgesprochenen und unausgesprochenen. Wie ein Fiebertraum kommen sie ohne Zusammenhang oder Erklärung und folgen dabei einer Logik, die nur dem Unterbewusstsein bekannt ist. Ein roter Faden begegnet einem dabei selten. Selbst der verstorbene Vater, der doch so gut dieser rote Faden sein könnte, bleibt seltsam unkonkret.
Sprache ist nicht in der Gegenwart angekommen
Seltsam ist auch die Sprache in Sohn ohne Vater: ein krasser Gegensatz zu dem sehr modernen, assoziativen Plot. Die Geschichte spielt in unserer Gegenwart, aber die Sprache ist nicht dort angekommen. Die Menschen sprechen im Präteritum miteinander, es fallen Sätze wie „Das Herz ist ein stählener Tugendbehälter“, der Sohn siezt seine Eltern. Der altmodischen Förmlichkeit stehen die Videotelefonate mit der Mutter gegenüber. Diese Kontraste lassen die eigentlich so realistische Geschichte unwirklich erscheinen, wie einer Science-Fiction-Fantasie des 19. Jahrhunderts entsprungen.
Der Tod ist eindeutig, seine Bedeutung uneindeutig
Neben dem Sohn begegnen uns in den Erinnerungen vor allem dessen Mutter und Schwester, seltener der Vater. Sie alle bleiben mystisch, uneindeutig. Nur der Tod des Vaters ist eindeutig und dass dieser auch für längst erwachsene Menschen einen schmerzhaften Verlust bedeutet: „Ich mag lieber in den Tagen leben, in denen ich noch einen Vater hatte.“
Die Reise nach dem Tod einer nahestehenden Person ist bei Feridun Zaimoğlu keine Sinnsuche. Es gibt keine Erkenntnisse, der Weg ist nicht das Ziel. Der Sohn ohne Vater möchte einfach nur in Edremit ankommen, um sich am Grab zu verabschieden. Vielleicht ist das auch der einzig richtige Zugang zum Tod: einer ohne Erwartungen.
Lesungen von Feridun Zaimoğlu in Schleswig-Holstein und Hamburg:
25. Februar 2025, 19 Uhr, Literaturhaus Schleswig-Holstein in Kiel. Moderiert von Britta Lange.
26. Februar 2025, 19:30 Uhr, Literaturhaus Hamburg. Moderiert von Katja Weise, NDR.
3. April 2025, 19:30 Uhr, Nordkolleg Rendsburg. Moderiert von Britta Lange.