Mit der neuen Ausstellung des Industriemuseums Elmshorn „Wie riecht Elmshorn? Stadt an der Krückau – Wundertüte der Gerüche” will Kurator Rayk Unger einem eher unterdrückten und unsichtbaren Sinn auf den Grund gehen: dem Geruchssinn.
Und das auf kleiner Fläche. In gerade einmal einem Raum hat er sich der Herausforderung gestellt, die Industrie-Geschichte der Stadt über diesen einen Sinn einzufangen. Das Gute am Geruchssinn? Laut Rayk Unger: Jeder versteht ihn und fast jeder hat ihn – er ist nahbar für Groß und Klein.

Wie Gerüche darstellen?
Doch wie erstellt man überhaupt eine Geruchsausstellung? Gerüche sind visuell nicht gut darstellbar. Jeder nimmt sie unterschiedlich wahr und verbindet Verschiedenes damit. Aber: Wir erinnern Gerüche, speichern einige ab und das macht sie: abrufbar. Ein mancher hat zum Beispiel, wenn er das Wort ‘Nivea’ oder ‘Penatenpuder’ liest schon den zugehörigen Duft in der Nase, andere nicht.

Unger gelingt es über ganz unterschiedliche Wege, die Gerüche der Elmshorner Industrie darzustellen.
Ob mit einer Karte, die zeigt, in welcher Entfernung der Geruch der Elmshorner Kaffeefabrik noch wahrgenommen werden kann oder mit einem Foto der riesigen „German Salami“ aus Elmshorn neben einem Teenagermädchen, welche auf einer Lebensmittelmesse in Amerika war.

Über diese ebenso ungewöhnliche wie mutige Ausstellung und die variationsreiche Wahl der Objekte gelingt es Unger die Industriegeschichte Elmshorns auf neue Weise zu vermitteln: sowohl informativ als auch humorvoll.
Und wie kommt man auf die Idee, diese Geruchswelt darzustellen? Bei Unger durch eigene Erfahrung. Der erste Geruch, den er wahrnehme, wenn er nach Elmshorn kommt, sei der Kaffee der naheliegenden Kaffeefabrik. Genau dieser Geruch ist auch in einer eigenen „Geruchsinsel“, einer Auseinandersetzung mit je einem Geruch in einem Teil des Raumes, dargestellt.
Genauso wie ein Fluss: die durch Elmshorn fließende Krückau. In Zeiten der Industrialisierung war die Krückau ein wichtiger Handelsweg. Als eigene „Geruchsinsel“ zeigt sie, wie ein Fluss in die Geruchswelt einer Stadt eingreifen kann – im positiven und im negativen Sinne – und verbindet Vergangenheit und Gegenwart.
Zudem nimmt der Fluss BesucherInnen mit auf den Rundweg durch die verschiedenen „Geruchsinseln”, wie Unger erklärt. Die Rosen, Fleisch, die Krückau, Hefe, Müsli, Kaffee – all diese Gerüche sind Elmshorn.
Die Herausforderungen einer Geruchsausstellung
Gleich zu Beginn des Gesprächs teilt der Kurator mit, welchen Hindernissen er bei Erstellung der Ausstellung begegnet ist. Allein durch den engen Raum enstand eine starke Begrenzung und damit ein Fokus: die Krückau und die damit verbundenen Industriezweige Elmshorns.
Auch war die Komposition der Gerüche eine Herausforderung. Denn viele Gerüche, die in Elmshorns Vergangenheit präsent waren, sind heute als Gefahrenstoffe klassifiziert und demnach verboten.

Zu den Gerüchen der Stadtgeschichte zählt auch der Gestank der Krückau als Abwasserfluss. Solche Gerüche fänden jedoch keinen Absatz und werden nicht entwickelt. Hierfür suchte Unger Improvisationen und wurde fündig– zum Beispiel mit einem Schriftstück, welches die ‘unzumutbare’ Belastung des Gestankes der Krückau beschreibt. Eine „unmittelbare Gefährdung der Gesundheit“ oder „Seuchengefahr“ wurde mit dem Fluss assoziiert. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Industrieabfälle, beispelsweise aus Gerbereien, einfach in den Fluss gespült, wodurch dieser so stark verunreinigt wurde. Durch den Bau einer Kläranlage konnte die Geruchsbelästigung beseitigt werden. Heute ‚stinkt‘ die Krückau nicht mehr.
Der Duft der Ausstellung
Die „Wundertüte der Gerüche“ legt einen Fokus auf die Industrie, sowohl als Industrieweg mit der Krückau, als auch auf Alltagsgerüche und Werbestücke der Industrien als Ausstellungsstücke. Die ‘Mittelinsel’ der Ausstellung, von der Frauengeschichtswerkstatt erstellt, thematisiert eben jene Alltagsgerüche – von streng riechendem Bohnerwachs bis hin zum wohlriechenden Kultparfum “Chanel No. 5”. Zusätzlich geht es um die Rolle der Frauen als Vernichterinnen von schlechten Gerüchen. Der vor über 25 Jahren ins Leben gerufene Arbeitskreis setzt es sich zum Ziel, die regionale Geschichte der Frauen zu thematisieren.

Dass viele Gerüche der Industrien noch heute präsent sind, zeigen an der Decke schwebende Wolken mit Kommentaren von BesucherInnen. So können ElmshornerInnen riechen, welche Müslisorte gerade in der Kölln-Haferflockenfabrik produziert wird: „Heute wieder Schokomüsli!“

Der ständige Gegenwartsbezug der Gerüche und die Verbundenheit zu Elmshorn zeichnen die Geruchsausstellung aus. Dass alle Ausstellungsstücke aus dem eigenen Depot oder der Umgebung stammen, unterstreicht das noch mehr. Mit Liebe zum Detail, Humor und auch sehr überraschenden Ausstellungsstücken, wie einer Werbeschallplatte von Kölln mit dem „Märchen der Prinzessin Blütenzart“, können BesucherInnen mehr als einen Hauch Elmshornluft schnuppern.

Noch bis Ende Oktober gibt die Sonderausstellung ihren Duft von sich.
Dienstags bis samstags von 14–17 Uhr und sonntags von 11–17 Uhr können BesucherInnen selbst die Nase hineinstecken und Elmshorns Geruchsgeschichte erkunden.
Eintrittskarten sind für 4 Euro erhältlich. Kinder dürfen kostenlos schnuppern.
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