Die Facetten der Gemeinschaft – Zusammen:Leben in der Drostei Pinneberg

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In Pinneberg wird über das Zusammenleben nachgedacht. Und das in all seinen unterschiedlichen Farben und Facetten. Mehr als 50 KünstlerInnen – alle aus Norddeutschland – haben auf den oberen zwei Stockwerken der Drostei ihre Gedanken zu der Frage „Wie wollen wir zusammen leben?“ dargestellt. Die 80 Ausstellungsstücke könnten kaum unterschiedlicher sein: von A wie Aquarell über Bronze, Fotografie, Tusche oder Öl bis hin zu Z wie Zeichnung. 

Auch KI ist vertreten

Das wahrscheinlich überraschendste Stück der Ausstellung ist jedoch ein Poster des Künstlers Claus Reichelt mit dem Titel „Message“. Ein beeindruckendes Motiv, das auf den ersten Blick nicht als Auswurf von KI erkennbar ist. Doch neben dem Bild verrät der Künstler den wahren Werdegang des Kunstwerkes und schildert die „Prompts“, kurze Befehle und Stichwörter, die er der Künstlichen Intelligenz gegeben hat. Muse für das Bild war die Metapher „und in mir wächst der Baum“. Die „Message“ des Kunstwerks ist durch den anschaulichen Text zweifellos nachvollziehbar: Unsere Verantwortung zur Umwelt, individuelles Wachstum und die Notwendigkeit, etwas zu verändern.

Claus Reichelts „Message“ durch KI ausgedrückt. 

Es wirkt jedoch ironisch, dass der Künstler genau die generative KI ChatGPT für die Erstellung verwendet hat. Denn solche Programme verbrauchen viel Strom: Eine einzige ChatGPT-Anfrage hat den zehnfachen Stromverbrauch einer Google-Suche, die ihrerseits bereits sehr Energieaufwendig ist. Um diese riesigen Energiemengen bereitzustellen, wird Tech-Gigant Google in den nächsten Jahren wieder auf Atomkraftwerke setzen. Und sowohl Strom aus fossilen Energiequellen als auch aus Atomkraftwerken schaden der Umwelt enorm. Eingegangen ist Reichelt darauf in seiner Interpretation, wie wir zusammenleben wollen, aber nicht.

Die kunterbunte Mischung des Zusammenlebens

Da jedoch die Gedanken der KünstlerInnen nicht bei allen Werken verschriftlicht worden sind, muss der eigene Kopf zum Nachdenken ran. Bei Kunstwerken, die auf den ersten Blick etwas wirr aussehen, kann häufig schon der Titel Klarheit schaffen. So auch bei zwei Werken der Künstlerin Susanne Pollach – eine Malerei mit dem Titel „Ich mach mir die Welt, widde widde… wie sie mir gefällt!“ und ein Spielball namens „Be more Pippi“. Persönlich wirkten die farbenfrohen „Bällchen“ auf mich wie eine Aufforderung zum Optimismus – der Kraft, die unsere Gesellschaft zusammenhalten kann und uns wie Pippi, unvorstellbare Dinge tun lassen kann.

Susanne Pollach mit ihren kunterbunten Werken.

Jedoch schwang auch etwas Trübsal nach – da manche Menschen sich das Zusammenleben auch so hinbiegen können, wie es ihnen gefällt und sich Zusammenleben zeitweise anfühlen kann, als ob man keine Kraft hätte, etwas zu verändern. Insgesamt muss sich der Betrachter entscheiden, was er darin sehen möchte: für mich ist es der Optimismus!

Zusammenleben ist Vielfalt

Diese Doppeldeutigkeit besitzen viele der Ausstellungsstücke. Doch offensichtlicher ist die Intention von Lilo Tadday mit ihren drei Fotografien mit höchst passenden Titeln. In der Mitte sieht man ein Foto von maritimen Tieren in der Natur, Basstölpel im Schnee, aber umschlossen von „die Erwärmung“ und „das Ergebnis“ als genau dieses des Zusammenlebens: das Bild eines Hummers zur Linken und einer Robbe zur Rechten, wahrscheinlich tot, am Strand liegend. 

Häufig sind Menschen oder die Natur in den Ausstellungsstücken erkennbar und die Themen Zusammenleben mit Menschen innerhalb der Gesellschaft oder wir Menschen im Zusammenleben mit der Natur. Einige der Ausstellungsstücke waren jedoch schwieriger zu entschlüsseln. So zeigt die Collage „Der rote Faden“ von Anja Kowalik erst nur eine recht unscheinbare Form, vielleicht ein Haus, durch die ein roter Faden läuft. Doch bei genauerem Hinsehen lassen sich die Grundgesetze erkennen und der rote Faden, der durch die Artikel 4 und 16 läuft – Glaubensfreiheit und das deutsche Staatsbürgerschafts- und Asylrecht.

Sich treiben lassen

Eine hoffnungsvolle Perspektive brachten Werke wie „Mein Traum – Leben in Eintracht mit der Natur“ von Gudrun Probst, das mithilfe von Treibholz und Ton zeigt, wie Träume und Hoffnungen für das Zusammenleben aussehen können. Das Ausstellungsstück brachte schon beim Anschauen eine gewisse Ruhe und Hoffnung mit sich. Vielleicht kann es durch das Treibholz auch zeigen, dass es auch guttun kann, seine Gedanken hin und wieder einfach treiben zu lassen. 

Lilo Taddays Fotografien aus der Realität.
Anja Kowaliks „roter Faden“ des Zusammenlebens im Gesetz.
Gudrun Probsts Traum des Zusammenlebens.

Doch so unterschiedlich die Ausstellungsstücke und Blickwinkel auch sind, eines wird allein schon durch die Mischung an künstlerischen Stilen und Materialien ersichtlich: Zusammenleben ist durch Vielfalt bestimmt. Und sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte des Zusammenlebens, wie die Gemeinschaft und das Auf und Ab, wie all die unbeantworteten Fragen und die Hoffnung, Wut und Trauer, gehören zum Leben dazu.

Nur noch bis 18.05.

Kunstfans können sich freuen – doch sie müssen schnell sein:

  • Bis 18.05. ist die Ausstellung noch geöffnet
  • Fast alle Ausstellungsstücke können käuflich erworben werden
  • Eintritt: 4 Euro, 2 Euro ermäßigt, SchülerInnen kostenlos
  • Öffnungszeiten der Drostei: mittwochs bis sonntags von 11-17 Uhr 

Führungen gibt es leider nicht, jedoch gibt es für alle, die es nicht persönlich zur Ausstellung schaffen einen digitalen Rundgang.

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