Menschen im Kulturbetrieb: Pianistin Tatjana Karpouk aus Mölln

Teilen

Es war ein magischer Moment. Ein Moment, in dem die Zuhörerinnen und Zuhörer den Atem anhielten, um den Zauber des Augenblicks nicht zu stören. Denn da vorne auf der Bühne saß Tatjana Karpouk am Flügel, und ihre Musik verschmolz mit dem Zwitschern der Vögel und dem Rauschen des Windes im Wald. „Es war unglaublich! Es hörte sich an, als hätten die Vögel mir geantwortet und die Natur mit dem Konzertflügel im gleichen Rhythmus geatmet“, strahlte Tatjana Karpouk damals nach ihrem Wald-Konzert beim Kultursommerfestival Hessen. „Sommerträume“ lautete das Programm ihres Solo-Konzertes, und soeben hatte sie unter anderem Werke von Robert Schumann, Franz Liszt, Frédéric Chopin, Sergej Prokofjew und Astor Piazzolla zum Besten gegeben.

Musik und Natur verschmelzen miteinander

Heute, fast ein Jahr nach diesem Konzert, sitzt Karpouk im Garten ihres Hauses in Mölln im Kreis Herzogtum Lauenburg, wo sie mit ihrem Mann lebt. Fast ist es wie damals beim Festival: Die Vögel singen, der Wind flüstert in den Blättern der Bäume, die Sonne strahlt vom Himmel. Doch statt gebannt lauschender Zuhörer schleicht heute nur eine rot getigerte Katze auf leisen Sohlen durch das Gras.

„Mein Auftritt im Juni 2024 beim Kulturfestival Nordhessen gehört zu den Highlights meiner Konzerte. Ich hatte vorher noch nie in der freien Natur gespielt. Und es war überwältigend, wie in diesem zauberhaften Moment alles zu einem fast mystischen Ganzen verschmolz“, erinnert sich Tatjana Karpouk. Umso mehr freut sie sich, dass die Festivalveranstalter der „Konzerte auf der Waldlichtung“ sie auch dieses Jahr wieder nach Hessen eingeladen haben: Mit ihrem neuen Programm „Fantasia“ ist die Pianistin am 19. August in Hofgeismar und am 3. August in Bad Wildungen zu Gast.

Zu den Stücken dieses Solo-Programms gehören neben Werken von Wolfgang Amadeus Mozart, Frédéric Chopin und Johann Sebastian Bach unter anderem auch die „Mondscheinsonate“ von Ludwid van Beethoven, „Pavane für eine verstorbene Prinzessin“ von Maurice Ravel und der „Mephisto-Walzer“ von Franz Liszt.

„Die schillernde Leucht- und Strahlkraft der Fantasie“

Doch vorher stehen noch weitere Konzerte in ihrem Terminkalender. Aktuell bereitet sich die Pianistin auf ihren nächsten Auftritt am 18. Mai in Ratzeburg vor, wo sie ebenfalls ihr „Fantasia“-Programm spielen wird. In ihrer Newsletter-Ankündigung dazu schreibt die Künstlerin: „Im lauten Brausen des Alltäglichen und in der Schwere herausfordernder Zeiten geht manchmal genau das verloren, wessen wir eigentlich am meisten bedürfen: die schillernde Leucht- und Strahlkraft der Fantasie! Gerne möchte ich euch ermöglichen, in die Welt der Fantasie einzutauchen und für einen Abend die Sorgen der realen Welt zu vergessen.“

Eigentlich sind diese Sätze lediglich die Einleitung, um  ihr „Fantasia“-Programm vorzustellen. Doch die Parallelen zur ganz persönlichen Lebensgeschichte von Tatjana Karpouk sind unübersehbar. Denn auch sie kennt die „Schwere herausfordernder Zeiten“ und die „Sorgen der realen Welt“ nur zu gut aus eigenem Erleben. Es mag auch an den verschlungenen Pfaden ihres Lebens liegen, dass sie heute die besondere Gabe hat, mit ihrer Musik die Menschen in ihren Bann zu ziehen – weil die Zuhörerinnen und Zuhörer spüren, dass die Pianistin mit den einzelnen Stücken auch ihre eigene Lebensgeschichte erzählt.

Ein Klavier in der engen Minsker Wohnung

Geboren und aufgewachsen ist Tatjana Karpouk in Minsk / Belarus, als Kind eines musikliebenden Mathematik-Professoren-Paares. Eines Tages nahm die Mutter ihre kleine Tochter mit zu einer Aufführung von Tschaikowskis „Schwanensee“. Gebannt stand das Mädchen während der gesamten Aufführung an die Brüstung des Geländers gelehnt, um ja nichts von dem Geschehen vorne auf der Bühne zu verpassen. Noch am gleichen Abend überraschte die Siebenjährige ihre Eltern mit dem Satz: „Ich will auf dem Flügel spielen!“

Zuerst hielten Tatjanas Eltern diese Aussage für eine lustige Laune. „Wie wär’s mit Geige? Oder Flöte?“, schlugen die Eltern etwas handlichere Instrument vor, die besser in die kleine Wohnung der Familie hineinpassen würden. „Ich war aber schon als Kind ziemlich dickköpfig“, gesteht Tatjana Karpouk, und so war es kein Wunder, dass sie sich damals von nichts und niemandem umstimmen ließ. Zwar bekam Tatjana fortan Klavierunterricht, musste aber zunächst auf dem Flügel einer Freundin üben. Doch schon bald wurde den Eltern klar: Das kleine Mädchen meinte es ernst. Sie kapitulierten. Und quetschten ein Klavier in die enge Minsker Wohnung.

Von Minsk nach Mölln

Tatjana Karpouk am Flügel. Foto: privat

Woher diese frühe Liebe zur Musik kommt? Obwohl ihre Eltern Mathematiker, ihre Großeltern Bauern waren und niemand in der Familie ein Instrument spielte? „Keine Ahnung!“, gesteht Tatjana Karpouk. Wie groß ihr Traum war und wie leidenschaftlich ihre Liebe zur Musik, zeigte sich später unter anderem darin, dass sie als 17-Jährige nicht nur mühelos die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Minsk meisterte. Außerdem konnte sie aufgrund ihrer besonderen Begabung auch das erste Studienjahr überspringen und gleich mit dem dritten Semester einsteigen. Damals lernte sie auch ihren ersten Mann kennen, wurde Mutter einer Tochter.

Mit 20 Jahren schloss Tatjana Karpouk ihr Studium als Pianistin, Kammermusikerin, Liedbegleiterin und Klavierpädagogin ab – und spielte zunächst keine einzige Note mehr. Denn zwischenzeitlich war ihr Mann an einer Krebserkrankung gestorben, und die junge Frau stand mit ihrer zwei Jahre alten Tochter alleine da. Im Sommer 1991 entschied sie, gemeinsam mit einer Freundin und ihrem Kind Belarus den Rücken zu kehren und sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Der Zufall führte Mutter und Tochter nach Mölln, wo Tatjana Karpouk nach und nach Fuß fasste und sich schließlich mit einer eigenen Klavierschule selbstständig machte.

Die eigene musikalische Weiterentwicklung

„Ich habe es geliebt, meine Schülerinnen und Schüler mit meiner eigenen Liebe und Freude an der Musik anzustecken. Es war wunderbar, ihnen die Welt der Musik zu eröffnen. Doch irgendwann spürte ich, dass mir etwas Wichtiges fehlte: meine eigene musikalische Weiterentwicklung als Künstlerin.“ Nachdenklich lässt Tatjana Karpouk bei diesen Worten ihren Blick über die Tulpen in ihrem Garten schweifen. Heute kann sie die kleine Idylle hinter ihrem Haus unbeschwert genießen. Damals jedoch waren für sie als Alleinerziehende und Solo-Selbstständige sowohl Zeit als auch Geld ständig Mangelware. Gegen alle Widerstände ging sie ihren Weg, steckte ihre mühsam gesparten Unterrichtshonorare in Meisterkurse bei namhaften Pianisten in ganz Deutschland. 2007 nahm sie dann all ihren Mut zusammen: Im Möllner Stadthauptmannshof lud sie zu ihrem ersten Solo-Klavierkonzert ein. Es wurde ein voller Erfolg – und zum Auftakt für zahlreiche weitere Auftritte.

Als Ozeanpianistin in 45 Ländern

Die Pianistin Tatjana Karpuk war fünf Jahre lang als Ozeanpianistin unterwegs. Foto: privat

Tatjana Karpouk war musikalisch endlich wieder bei sich selbst angekommen. Mit dieser Motivation als „Treibstoff“ bewarb sie sich 2014 bei der Hapag-Lloyd-Reederei. Und wurde angenommen: Als Ozeanpianistin bereiste sie auf Kreuzfahrtschiffen wie der MS Europa die Welt, 45 Länder in den folgenden fünf Jahren.

 „Das Engagement als Ozeanpianistin hat mein Repertoire unheimlich erweitert: Ich habe an Bord und auch noch bei Windstärke fünf alles gespielt – von Jazz über Shantys bis zu Musicals. Und natürlich auch immer meine eigenen Solo-Programme, zum Beispiel ,Wasserspiele‘, das ich extra für meine Zeit auf hoher See zusammengestellt habe“, erzählt Tatjana Karpouk. Zu den Stücken dieses Solo-Programms gehören unter anderem „Prés de la Mer“ von Anton Arensky, „Bacarolle“ von Frédéric Chopin, sowie „Poissons d’or“ und „Reflets dans l’eau“ von Claude Debussy.

Die Ozeanpianistin ist vor einiger Zeit von Bord gegangen. Denn an Land hat sie ihre zweite große Liebe gefunden: ihren Ehemann Frank. Gemeinsam genießen die beiden das Leben, verreisen, verbringen viel Zeit in ihrem zweiten Zuhause am Iseo-See in Norditalien. Mit ihrer Begeisterung für die Musik hat Tatjana Karpouk auch schon ihre italienischen Nachbarn verzaubert: Im Herbst dieses Jahres spielt sie ein Solo-Konzert beim Iseo-See-Festival.

Konzerte in Schleswig-Holstein, „Fantasia“-Programm:

Sonntag, 18. Mai 2025, 16 Uhr:
Ameos Senioren Wohnsitz Ratzeburg, Schmilauer Str. 108
Kartenreservierung unter Telefon 04541- 133 305

Weitere Konzerttermine unter www.tatjana-karpouk.de

Unterstützen Sie kulturkanal.sh
– für eine lebendige Kulturszene

Vielen Dank, dass Sie kulturkanal.sh nutzen. Unser Online-Feuilleton für Schleswig-Holstein bringt Ihnen spannende Inhalte und aktuelle Berichte über das vielfältige kulturelle Leben in unserer Region.

Um weiterhin unabhängige und hochwertige Inhalte anbieten zu können, brauchen wir Ihre Unterstützung.

Mit einer freiwilligen Zahlung helfen Sie uns, durch unsere Berichterstattung die Kultur vor Ort zu fördern.

Jeder Beitrag zählt – machen Sie mit und stärken Sie die regionale Kultur!

Themen

Teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesen

Neueste Artikel

Datenschutz
Kulturkanal.sh GbR, Inhaber: Birthe Dierks, Esther Geißlinger, Pauline Reinhardt, Bernhard Martin Schweiger, Gerd-Richard Warda, Kristof Michael Warda (Firmensitz: Deutschland), würde gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl:
Datenschutz
Kulturkanal.sh GbR, Inhaber: Birthe Dierks, Esther Geißlinger, Pauline Reinhardt, Bernhard Martin Schweiger, Gerd-Richard Warda, Kristof Michael Warda (Firmensitz: Deutschland), würde gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl: