Menschen im Kulturbetrieb: Otto Beckmann, Maler und Grafiker

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Otto Beckmann ist viel herumgekommen, im Kleinen wie im Großen, in der Gegend und in der Welt. Geboren wurde der Maler und Grafiker 1945 in Knüppeldamm, einem Ortsteil der Gemeinde Fincken in Mecklenburg. Aber seine Wahlheimat lag viele Jahre in Nordfriesland. Vor allem der Halbinsel Eiderstedt hat Otto, der im Jahr 2025 seinen 80. Geburtstag feiert, ebenso viel zu verdanken wie sie ihm – ihrem etwas anderen, aber unermüdlichen Chronisten. Unzählige Werke sind hier entstanden, sei es konkret auf Leinwand, Papier und Radierplatte oder im Kopf.

Briefe ans Meer und harte Arbeit, die leicht aussieht

Es gibt unverwechselbare Wesensmerkmale von Beckmanns Kunst. Sei es, dass er während einer Vietnam-Reise bemalte Postkarten verschickt, um sie danach wieder einzusammeln und zu einem Reisetagebuch zu verarbeiten. Oder dass er unermüdlich Briefe ans Meer schreibt, ohne eine Antwort zu erwarten und sie am Ende doch bekommt (aber das ist eine andere Geschichte). Zudem fand er immer neue Mittel und Wege, um die tiefen Wasser einer Drucktechnik, der Radierung, auszuloten. Diese Technik sollte er später selbst mit unverwechselbarer Handschrift prägen. Denn was am Ende so leicht daherkommt, ist das Ergebnis konzentrierter, manchmal harter Arbeit sowie der Fähigkeit, sich einzulassen und immer wieder neu zu erfinden.

„Begegnung“ heißt diese Farbradierung von Otto Beckmann, die 2006 entstand. Foto: Homepage Otto Beckmann

Apropos: Beckmanns Landschaften, seine ebenso windschiefen wie windständigen Haubarge, Baumreihen und Schafe sind mehr als das, was sie darstellen. Sie sind das Ergebnis einer feinen und tiefgründigen Beobachtungsgabe, die Oberflächen schneller durchstößt, als sie bearbeitet werden können, und dabei neben scheinbarer Leichtigkeit eine besondere Art der Wertschöpfung entfalten. Wertschöpfung, die mehr Schöpfung als Wert ist. Denn Beckmann weiß, dass niemand seine Bilder braucht. Doch genau daraus schöpfen sie wohl diesen besonderen Wert.

Und da ist noch etwas: Der Künstler liebt die Menschen und Landschaften hier (und nicht nur hier). Er versucht, ihren Eigenarten und Spleens mit feiner Ironie und Wertschätzung auf den Grund zu gehen.

Kindheit auf Föhr, Studium in Flensburg

Otto Beckmann verbrachte einen Teil seiner Kindheit auf Föhr, besuchte auch das Gymnasium in Wyk. Das Abitur legte er in Lübeck ab, absolvierte seinen Wehrdienst als Funker beim Bundesgrenzschutz und studierte von 1967 bis 1970 Bildhaftes Gestalten an der Pädagogischen Hochschule in Flensburg. Zu seinen Lehrern zählten Gerd Uschkereit, Gerd von der Ohe, Manfred Korte und Dirk Bracker. 1970 legte er sein erstes Staatsexamen für Lehramt ab und zog nach Hamburg.

In jungen Jahren glaubte er noch daran, dass er neben seiner Arbeit als Kunst-Erzieher schon genügend Zeit zum Malen, Zeichnen und Radieren finden werde. Schnell musste Beckmann einsehen, dass er in diesem Punkt genauso irrte wie in der Annahme, er könne an der Uni – zu APO-Zeiten – Akt-Zeichnen lernen statt Wandzeitungen mit politischen Parolen zu füllen. Bereits 1971, nach der Heirat mit Henriette Cochius, begann Otto Beckmann als Lehrer in Friedrichstadt zu arbeiten. Das Paar kaufte ein Grundstück in Garding mit Lagerhäusern und einer Mühlen-Ruine. Sie sollte im Lauf der Zeit zu einer Galerie für Kulturveranstaltungen und Ausstellungen ausgebaut werden.

„Flurstücke und Meer“ heißt dieses Gemälde von 2021. Foto: Homepage Otto Beckmann

Beckmann denkt mit dem Spatel, manchmal mit der Flex

Immer wieder fand Otto Beckmann eigene Lösungen, die das Wesensmerkmal seiner Experimentier-Freudigkeit auf ihre Weise unterstreichen. Neben dem Uni-Betrieb organisierte Beckmann diesen Teil seiner Ausbildung selbst, in Gestalt einer eigenen kleinen Zeichenschule außerhalb des Studienplans. Und als klar wurde, dass der Wunsch, neben der Schule zu malen, nicht aufgehen würde, bat der Staatsdiener Beckmann, der seit 1975 Mitglied im BBK Schleswig-Holstein ist, im Jahr 1980 um die Auflösung seines Beamtenverhältnisses. Ein bis dahin beispielloser Vorgang im schleswig-holsteinischen Schulbetrieb, noch dazu mit wenig Aussicht auf Erfolg. Dass es ihm dennoch gelang, ist einem anderen Wesensmerkmal des heute fast 80-Jährigen zu verdanken. Es ist seine Hartnäckigkeit, die er von jeher mit Gelassenheit und Humor zu paaren verstand. Otto Beckmann denkt und fühlt mit dem Spatel, der Radiernadel und manchmal mit der Flex. Hanns Dieter Hüsch würde sagen: „Alles in einer Person“.

Diese unvermeidlichen Schafe: „Warten auf den großen Bocksprung“ heißt diese Radierung von 1980. Foto: Otto Beckmann

Und tatsächlich gab es Menschen, die schon sehr früh erkannten, dass dieser Mann Spuren hinterlassen würde, die auf vielfältige Weise mit ihren eigenen Lebenswegen zu tun hatten und haben, nur eben leicht versetzt, ironisch überhöht. Wie in einer Radierung mit dem Titel „Warum sind in Nordfriesland die Bäume so schief?“ Beckmanns Antwort: Weil sich die unvermeidlichen Schafe in konzertierter Weise an ihnen immerzu den Hintern schubbern! Ist das Eigensinn oder Fürsorglichkeit? Damit ein Sturm die Bäume am Ende nicht doch noch umwirft? Ein bisschen was von beiden vermutlich.

Was ist banal, was bedeutsam?

So einfach kann das ausschauen, wenn man erst einmal den Dreh raus hat. Otto Beckmann ist ein scharfer Beobachter, der pointiert auf Papier und Leinwand bringt, was sonst womöglich ungesehen am Wegesrand stehen bliebe. Er verleiht dem scheinbar Banalen Bedeutung und wirft damit zugleich die Frage auf, was banal und was bedeutsam ist, ja mehr noch, was uns diese Worte überhaupt sagen wollen. Niemals würde er Fragen wie diese ins Vage, Uferlose verlaufen lassen, sondern stellt sie immer aufs Neue.

So wie in seinen oft wuchtigen, wie eingefroren wirkenden Figuren aus der Zeit des ersten Golfkrieges, „als wir dachten: Das war’s jetzt wohl“, wie er sich heute, „in noch düstereren Zeiten“, an dieses Weltuntergangs-Szenario erinnert. Immerhin wurde er in jenem Jahr geboren, als die Nazis endlich kapitulierten – nachdem sie zuvor halb Europa in Schutt und Asche gelegt und Millionen Menschen das Leben gekostet hatten. Doch anders als die Figuren aus dieser Zeit überwindet der Künstler seine Schockstarre, wendet sich einmal mehr dem Leben zu, einem Leben, dass wie sein Werk ein großes Experiment ist und bleibt.

Werkschau im Nissenhaus zeigt Retrospektive

Das Nissenhaus in Husum zeigt vom 18. Mai bis zum 28. September 2025 eine große Retrospektive mit einem Überblick über das Werk von Otto Beckmann. Der Künstler lebt seit 1989 in Hamburg und ist seit dem Jahr 2000 in zweiter Ehe mit Barbara Mannitz verheiratet. In der aktuellen Schau, die den Titel „Schwarz auf Weiß, radiert und geschabt“ trägt, sind Werke von den frühen Anfängen des Künstlers bis in die Gegenwart zu sehen.

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