Büdelsdorf kommt auf den Wolf

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„Achtung, die Tiere beißen.“ Diese Warnung geben die Mitarbeiter:innen des Eisenkunstgußmuseums Büdelsdorf Besucher:innen mit auf den Weg durch die Räume. Zwischen den Vitrinen des kleinen Museums stehen seit Ende Mail 2025 elf lebensgroße Figuren: Hirsche, Wildschweine, ein Luchs und ein Adler sind darunter. Und drei Wölfe, die der Ausstellung den Namen geben: „Big Bad Wolfe“, großer böser Wolf, heißt die Schau mit Werken der britischen Künstlerin Kendra Haste. Sie will mit ihren naturalistischen Figuren für das Recht der Tiere auf ihren Lebensraum werben. Und ja, die Tiere können beißen. Denn sie bestehen aus Maschendraht, der ganz schön kratzig sein kann.

Vorbilder aus der Natur aus Industrie-Material

Maschendraht vom Feinsten: Kendra Haste baut ihre Skulpturen Schicht um Schicht auf. Foto: Geißlinger

Hirsche und Hunde gehören bereits zur Dauerausstellung des Eisenkunstgußmuseums. Die Figuren stammen aus dem 19. Jahrhundert, sie stehen für eine romantisch-idealisierte Vorstellung der Jagd: Tiere sind Beute oder Prestigeobjekt. Kendra Haste setzt ihre modernen Figuren dagegen. Sie hat die Tiere in naturalistischen Bewegungen eingefangen. Der Luchs lauert in einem schmalen Durchgangsraum, er hebt den Kopf und scheint neugierig zu den Menschen aufzuschauen. Wildschwein-Frischlinge schnüffeln an Gestellen, auf denen Büsten stehen. Die Wölfe stehen im Innenhof des Museums – wer sich nicht an sie herantraut, kann sie von drinnen mit einem Fernglas beobachten.

Wer sich nicht näher herantraut, kann die Wölfe per Fernglas beobachten. Foto: Geißlinger

Kendra Haste macht das Material zum Star

Der Stahldraht, den Kendra Haste verwendet, stammt aus Deutschland: „Das ist die beste Qualität“, sagt die Künstlerin, die 1971 in London geboren wurde und heute im ländlichen Surrey lebt. Als Kind und Jugendliche in der Großstadt hatte sie kaum Kontakt zur freien Natur. Diese „urbane Entfremdung“ wolle sie überwinden, heißt es in einer Mitteilung des Museums. Haste begann während ihres Studiums am Royal College of Arts, sich für Draht als Material zu interessieren. Der „Hasendraht“, wie das Sechseckgeflecht auch genannt wird, dient häufig als Stützmaterial unter Skulpturen aus Ton oder Gips. Haste macht das Material zum Star, schichtet Lage um Lage und fertigt so Muskeln, Fell oder Federn.

Den Großteil der in Büdelsdorf ausgestellten Arbeiten hat sie speziell für diese Schau geschaffen. Etwa den Seeadler, der mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Regal hockt. Vögel hätten noch etwas fast Prähistorisches, sagt die Künstlerin. Ihr ist wichtig, die kräftigen Beine des Raubvogels und die lichte Leichtigkeit der Flügel zu zeigen.

Kräftige Beine, lichte Flügel: Seeadler sind wieder in Schleswig-Holstein heimisch. Foto: Geißlinger

Kendra Haste, die für ihre Arbeiten den BBC Wildlife Art Award erhalten hat, konzentriert sich bei der Ausstellung in Büdelsdorf auf heimische Wildtiere. „Darunter sind selten gewordene Arten, die auf der Roten Liste stehen“, sagt Ulrike Biedenbänder. Die Leiterin des Eisenkunstguss-Museums ist auch Kuratorin der Schau. Seit etwa zwei Jahren laufen die Vorbereitungen für die Ausstellung, die noch bis Ende November zu sehen sein wird. Für Kendra Haste, deren Werke unter anderem im London, den USA und Asien stehen, ist es die erste Ausstellung in Deutschland. Der Vorschlag, ausgerechnet im Eisenkunstgußmuseum auszustellen, sei von der Stiftung Landesmuseen gekommen, sie freut sich über die Entscheidung: Das kleine Museum sei „lovely“, lobt sie. Außerdem passe Gußeisen vom Material her gut zu Draht.

Begegnung mit Tieren auf Augenhöhe

Neben dem künstlerischen Ausdruck und der besonderen Ausstrahlung der Draht-Figuren geht es der Künstlerin um eine inhaltliche Botschaft. „Wir haben seit Jahrhunderten bestimmte Bilder und Stereotypen von Tieren im Kopf“, sagt Thorsten Sadowsky, Direktor der Stiftung Landesmuseen, zu denen das Büdelsdorfer Museum seit 2010 gehört. „Der schlaue Fucht, der fleißige Biber und natürlich der verschlagene, böse Wolf.“

Unter Wölfen: Thorsten Sadowsky, Direktor der Stiftung Landesmuseen, bei der Eröffnung der Ausstellung. Foto: Geißlinger

So ist der Titel der Ausstellung, „Big Bad Wolfe“, eine bewusste Provokation. Denn die Tiere, die Kendra Haste nach Fotos und Videos aus Draht modelliert hat, sind weder gut oder böse im menschlichen Sinn. Sie stehen für sich selbst – stehen den Menschen gegenüber und behaupten ihren Platz.

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