Hohes künstlerisches Niveau und bodenständiges Wohnen

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„Hof Brache“ im Kreis Plön ist mit viel Kunst und Kultur das Lebenswerk von Brigitte und Hans Weiß. Vor rund 50 Jahren kauften die beiden den „Hof Brache“ in der Gemeinde Wahlstorf im Kreis Plön. Schritt für Schritt verwandelten sie das einst baufällige Anwesen in ein architektonisches Schmuckstück – und schufen im Laufe der Jahrzehnte einen Ort für Musik und Bildende Kunst, der sich auch international einen Namen gemacht hat.

Wenn Hans Weiß das Licht im zum Konzertsaal umgebauten Heuboden von „Hof Brache“ anmacht, dann dauert das einen Moment. Der pensionierte Kinderarzt und Jugendpsychiater lächelt fast entschuldigend und steuert dann zügigen Schrittes vier Lichtschalter an, die kreuz und quer in dem riesigen Raum verteilt angebracht sind. „So ist das eben hier bei uns auf Hof Brache: Alles ist so nach und nach entstanden und schrittweise gewachsen. Deswegen gibt es auch keinen zentralen Schalter für das Saallicht.“ Hans Weiß deutet auf eine besonders kreative Elektriklösung: „Schauen Sie mal: Diesen Lichtschalter hier habe ich damals in einer ausrangierten hölzernen Geschenkschachtel für Sekt versteckt angebracht. Ich wollte den schönen Holzbalken nicht anbohren.“

Jahrelange Renovierungsarbeiten

Hans Weiß auf der Empore des Heubodens. Foto: Jeanette Nentwig

Eine kleine Szene nur – aber sie zeigt exemplarisch auf, was für das gesamte Gebäudeensemble gilt: Brigitte und Hans Weiß haben „Hof Brache“ nach dem Kauf 1974 nicht auf einen Schlag komplett saniert und mit einem fertigen Konzept zum Veranstaltungsort aufgebaut. Vielmehr haben sie die ehemalige Außenstelle von Gut Wahlstorf erst in jahrelanger Renovierungsarbeit zum Zuhause für sich und ihre Kinder aus- und umgebaut. Erst als der Hof langsam aus seinem Dornröschenschlaf erwachte und immer mehr in neuem Glanz erstrahlte, sprudelten auch die kreativen Ideen für die weitere Nutzung.

Der Heuboden als Veranstaltungssaal

Unzählige Male hatte die Familie während der Renovierungsarbeiten von einer Luke im Dachgeschoss auf den riesigen Heuboden heruntergeschaut und sich gefragt, was sie mit diesem außergewöhnlichen Raum wohl machen könnte. 1992 war es dann soweit: Tochter Lisa inszenierte gemeinsam mit ihrer Cousine das selbst geschriebene Theaterstück „Die schwarze und die weiße Königin und die Liebe“ – es war die Geburtsstunde des ehemaligen Heubodens als außergewöhnlicher Veranstaltungssaal.

Seit mehr als 33 Jahren finden hier Meisterkurse bekannter Künstler sowie Studenten- und Dozentenkonzerte statt, Musiker proben für ihren Auftritt in der Elbphilharmonie. In der ehemaligen Scheune, die zur Galerie umgebaut wurde, finden unter anderem Ausstellungen statt. Auch Theatervorstellungen gehören zum Programm und ziehen ein ganz anderes Publikum an als die Konzerte und Ausstellungen. Mehr als 20 Jahre lang waren hier die „Internationalen Musiktage Brache“ beheimatet, musikpädagogische Arbeit wie beispielsweise der „Kieler Instrumental-Wettbewerb“ sowie verschiedene Schulorchester oder auch Kurse der Violinistin Isabel Morey haben auf „Hof Brache“ ein Zuhause auf Zeit gefunden. Denn hier, irgendwo im grünen Nirgendwo der Gemeinde Wahlstorf, können die Künstler und Künstlerinnen nicht nur kreativ arbeiten, sondern auch wohnen.

Mehr als 50 Jahre „Hof Brache“

Zahlreiche Aufführungen sind in den vergangenen 33 Jahren auf „Hof Brache“ über die Bühne gegangen. „Da kamen viele Erinnerungen hoch…“, sagt Hans Weiß nachdenklich, als er davon erzählt, wie er und seine Frau in den alten Fotoalben blätterten und sich noch einmal die Plakate anschauten, die sie von allen Veranstaltungen gesammelt haben. Mit einer Ausstellung feierten sie im vergangenen Jahr „50 Jahre Hof Brache“ – und waren dabei selbst ein bisschen überrascht, welche Entwicklung ihr Hof über die Jahrzehnte gemacht hat.

„Das hat sich irgendwie alles so ergeben und dann mit einer gewissen Eigendynamik verselbstständigt. Das Haus war immer ein Quell der Inspiration – nicht nur für uns, sondern vor allem auch für unsere Gäste“, berichten die beiden, die damals nicht mit einem fertigen Veranstaltungskonzept angetreten waren. Stattdessen hatten sie irgendwann angefangen, befreundete Musikerinnen und Musiker für Konzerte einzuladen. Und diese wiederum waren von dem idyllisch mitten im Grünen gelegenen Ort so begeistert, dass sie ihrerseits neue Ideen einbrachten und den Hof weiterempfohlen.

Ein eigenes Sinfonieorchester im Wohnzimmer

Junge Symphoniker Hamburg. Foto: Hans Weiß

„Wer hat schon sein eigenes Sinfonieorchester quasi im Wohnzimmer?!“, lacht Hans Weiß, als er von den Jungen Sinfonikern aus Hamburg erzählt, die mit zu den ersten Gästen gehörten und seitdem regelmäßig wiederkommen. Und Brigitte Weiß ergänzt: „Durch den engen Kontakt zu den Musikerinnen und Musikern konnten wir deren Entwicklung über die Jahre verfolgen“.

Anstatt Weltreisen zu unternehmen, hat die Familie Weiß die Welt zu sich auf ihren „Hof Brache“ geholt. Vor einem halben Jahr zum Beispiel waren 44 Kinder aus dem chinesischen Shenzhen für vier Tage zu Gast: Der Chor der Yantian Foreign Language Primary School quartierte sich auf „Hof Brache“ ein und verabschiedete sich zum Schluss mit einem öffentlichen Konzert samt Tanzelementen. „Natürlich haben wir uns vor der Anreise unserer chinesischen Gäste gefragt: Was sollen wir bloß kochen?“, gesteht Brigitte Weiß. Es war dann ausgerechnet der Apfelsaft von den eigenen Apfelbäumen des Hofes, der bei den Kindern überraschenderweise besonders hoch im Kurs stand.

Internationale Gäste in Wahlstorf

Chinesischer Kinderchoraus Shenzhen. Foto: Hans Weiß

Wie haben die vielen Gäste aus aller Welt die Familie Weiß geprägt? Hans und Brigitte schauen sich einen Augenblick nachdenklich an, bevor sie antworten. „Wir haben so viele andere Kulturen erleben dürfen – die Menschen hatten ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Gepflogenheiten. Das hat uns Toleranz gelehrt und wir haben Welterfahrung sammeln dürfen in unserem eigenen Haus“, sagt Brigitte Weiß. Und Hans Weiß ergänzt: „Durch diese internationalen Gäste ist immer ganz viel Leben zu uns ins Haus gekommen.“

Nahe und ferne Zukunft von „Hof Brache“

Aktuell laufen die Vorbereitungen für die nächsten Konzerte auf Hochtouren: Am Mittwoch, 18. Juni, kommt um 19 Uhr der Cellist Clemens Malich zusammen mit Yannick Rafalimanana am Klavier. Das Universitätsorchester Lübeck lädt am Sonntag, 29. Juni um 16 Uhr zum Konzert. Und am Dienstag, 22. Juli, gibt es um 19 Uhr einen Klavierabend mit Kateryna Titova. Zum Abschluss wartet dann jeweils das traditionelle Brache-Büffet auf die Gäste, die bei dieser Gelegenheit auch immer die Möglichkeit für einen Schnack mit den Musikerinnen und Musikern haben.

Wie es in Zukunft weitergeht mit „Hof Brache“? „So lange wir nicht umfallen, machen wir weiter“, lächelt Brigitte Weiß. Die Konzerte, die Ausstellungen, die Theateraufführungen – all das ist das Lebenswerk der Familie Weiß. Doch von ihren Kindern möchte derzeit keines den Hof weiterführen. Der Nachwuchs hat eigene Leben, andere Pläne.

„Muss es überhaupt weitergehen…?“ Hans Weiß lässt den Satz in der Luft hängen. Nur eines ist sicher: Verkaufen kommt nicht in Frage – schließlich ist „Hof Brache“ für die Kinder der Familie Weiß noch immer und für immer ihr Zuhause. „Das hier ist ein Ort mit einer ganz besonderen Energie, einem besonderen Zauber. Einfach schon aufgrund der Lage in Wassernähe, in einer bewegten Landschaft, mit Wald und sanften Hügeln drumherum“, antwortet Hans Weiß auf die Frage nach der Einzigartigkeit von „Hof Brache“. „Hier gibt es Geborgenheit, aber ohne eingeklemmt zu sein“, ergänzt Brigitte Weiß. Nach einem kurzen Moment der Stille fügt Hans Weiß schließlich noch hinzu: „Dieser Ort hier – der hat etwas Magisches.“

Weitere Informationen unter https://brache.info/

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