Ach, ein neues Fitness-Studio? Irrtum: Die aktuelle Ausstellung im Kieler Sp_ce, der Galerie der Muthesius-Kunsthochschule, sieht nur so aus wie ein Gym. Die scheinbaren Sportgeräte sind eigentlich Kunstwerke. Entdecken lässt sich das am besten durchs Ausprobieren.
Der Boxsack schimpft

Ein Boxsack hängt von der Decke des Sp_ce. Statt mit Leder ist er mit zottigem, schwarzen Stoff-Fell bedeckt, das zum Streicheln einlädt. Wer das tut, wird mit klingenden Tönen belohnt. Schläge dagegen mag der Boxsack gar nicht: „Hey, lass das!“, hallt eine verärgerte Männerstimme. Der nächste Schlag wird mit einem knappen „Schnauze!“ belohnt. Dann lieber streicheln und schöne Töne erzeugen.
„We are Gym“ heißt die Ausstellung, die seit Mitte Juli im Sp_ce zu sehen ist. Die Galerie der Muthesius-Kunsthochschule befindet sich in der Andreas-Gayk-Straße in der Kieler Innenstadt in einem ehemaligen Ladenlokal mit großen Schaufensterscheiben. Dort steht mit großen Buchstaben der Titel „We are Gym“. Und ja, durch die Scheiben sind Gegenstände zu sehen, die auf den ersten Blick typische Sportgeräte sind. Neben dem Boxsack sind es Räder, ein Laufband und Kraftmaschinen, um Arme und Beine zu trainieren. Tatsächlich lassen sich alle dieser Geräte bedienen. Aber sie trainieren eben nicht nur die Muskeln.
Design trifft Funktion: Interaktive Geräte

Das interaktive Ausstellungsprojekt stammt von Studierenden im Fachbereich Industriedesign und vor allem aus dem Studiengang Interface Design. Dieser Studiengang feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Im Mittelpunkt des Studiums steht die Frage, wie Menschen mit Artefakten interagieren können und wie Geräte aussehen müssen, damit das funktioniert. Das Ziel sei, „unsere Augen und Gedanken zu öffnen und mit Empathie zu hinterfragen, wie sich Design nachhaltig an menschlichen Bedürfnissen und Wünschen weiterentwickeln lässt“, heißt es in der Beschreibung des Studiengangs.
Ausgangspunkt des Projekts „We are Gym“ sei der menschliche Körper in Bewegung, so steht es in einer Pressemitteilung zum Auftakt. Ganz praktisch bedeutet das: Menschen kommen in die Ausstellung, setzen sich auf ein Trainingsrad oder eine Kraftmaschine – und dann passiert etwas Unerwartetes.
Pumpen und Strampeln sorgt für Effekte
Etwa bei einem Sportgerät, neben dem pinke und stahlblaue Stoffschläuche liegen. Wenn jemand auf dem Gerät sitzt und mit den Armen auf- und abpumpt, setzt sich ein Blasebalg an der Rückseite in Bewegung und füllt die Stoffschläuche mit Luft. Irgendwann richten sich die Gebilde auf. Doch der Zustand ist vergänglich. Ohne Luftzufuhr sinken die Schläuche wieder in sich zusammen. Genau wie auch ein menschlicher Köper irgendwann schlaffer wird, wenn er nicht ausreichend sportliche Bewegung bekommt.
Eine noch deutlichere Belohnung gibt es an einer zweiten Kraftmaschine: Hier zaubert ein Bildschirm virtuelle Super-Muckis an die Oberarme. Einen Flug über eine Fantasy-Landschaft zeigt ein anderer Bildschirm. Den Antrieb gibt es per Tritt in Fahrrad-Pedale.
Traut sich jemand rein ins Kunst-Gym?

Draußen vor den großen Schaufenstern bleiben immer mal Menschen stehen und schauen hinein, unsicher, ob hier nun ein Gym aufgemacht hat. Trauen sich auch mal welche rein? „Klar“, sagt der Student, der an diesem Tag Aufsicht im Sp_ce hat. Und wie aufs Stichwort kommt eine Gruppe junger Frauen in den Raum. Sie drängen sich um die Geräte, testen sie und filmen sich gegenseitig beim Kraft-Training. So soll es sein, findet der Aufsicht führende Student: „Das Ganze macht einfach Spaß.“

Selbst Austesten können Besucher:innen das noch bis zum 18. Oktober. Mal sehen, ob der Boxsack bis dahin immer noch so flauschig aussieht und ob er im Lauf der Zeit mehr Hiebe oder mehr Streicheleinheiten erhalten hat.