Kult(o)urnacht in Heiligenhafen in Ostholstein: In dieser Nacht gibt es unter anderem plattdeutsche Geschichten, Gemälde von Wellen und Wolken – und Punk. Auch der gehört zu den 18 Stationen bei der Veranstaltung am Sonnabend, 30. August 2025.
Hinter der Adresse Thulboden 11 verbirgt sich ein ganz typisches Haus für den Ort: zwei Stockwerke, rot-braune Ziegel. Doch am Hauseingang flattert ein Transparent mit einem Punk drauf, lebensgroß. Unter dem Motto „Punk’s not dead“ hätten sie das Haus besetzt, erzählt Olaf Gülzow, einer der Initiatoren der Aktion. Wobei im Gespräch schnell klar wird: „besetzt“ ist hier eher im übertragenen Sinne zu verstehen. Das Haus gehört dem Heiligenhafener Künstler Tilman Fritsch. Er hat die Immobilie erworben, will sie entkernen, um eine Wohnung einzubauen.
Doch noch ist es nicht so weit. Bis es mit den Bauarbeiten losgehen kann, steht das Haus leer. Tilman Fritsch und seiner Ehefrau Ute ist es wichtig, dass dieser Leerstand genutzt wird. Deswegen darf der fast 60-jährige Olaf Gülzow jetzt dort schalten und walten. Und das macht er in geordneter Anarchie.
Ordnungspunk schafft geordnete Anarchie

Olaf Gülzow ist eigentlich beim Ordnungsamt tätig. „Ordnungspunk“ nennt er sich ironisch. Genauso wie der Architekt Niko Rickert, der den späteren Umbau des Baudenkmals betreut, wurde er in Heiligenhafen geboren. Als „Meerkieker-Gruppe“ setzen sich die beiden für nachhaltige Stadtentwicklung, Umweltschutz und Kulturprojekte im Ort ein.
Und worum geht es bei der Zwischennutzung des Hauses im Thulboden? „Es geht darum Räume zu schaffen – für Bürgerbeteiligung und Kultur“, erzählt Olaf Gülzow. Dafür mussten er und seine gut 20 Mithelfer*innen erst einmal Efeu wegschneiden und Schutt wegschaffen. Das Haus, im Ort auch als die Alte Schneiderei von Susie Santiago bekannt, stand jahrelang leer. Am 1. August hat die Gruppe mit den Aufräumarbeiten angefangen. „Jetzt ist es hier wieder lebendig“, stellt Olaf Gülzow zufrieden fest. Auch wenn „die Punk-WG“ nicht in dem Haus lebt: Jeden Tag ist jemand da, jeden Tag tut sich etwas. Derzeit bedeutet das vor allem: Vorbereitung für die Kult(o)urnacht.
Ausstellung, Musik, Film
„Eine Ausstellung, bei der eine Punkband spielt“, so fasst ein Mitstreiter von Olaf, Andreas Koepsell, die Pläne der Punk-WG für die Kult(o)urnacht zusammen. In der Ausstellung soll die Geschichte der Punkbewegung vermittelt werden. Aber auch jetzt schon gibt es in dem Haus viele Details zu entdecken, Kunstwerke, die noch im Entstehen sind. Die Besucher*innen sollen auch einfach selbst an die Wand sprühen. In der wachsenden Ausstellung spielt am Sonnabend dann Blunt Break aus Ostholstein. Nach ihrem Konzert geht der Hut rum.
Eine Doku wird an dem Abend auch abgespielt, „Welcome to the 80s“ über die Anfänge des Punks. Dafür hat Olaf Gülzow einfach beim ZDF nachgefragt, ob sie die Doku kostenlos zeigen dürfen. Das war kein Problem. „Alle sagen: Das geht nicht. Aber man muss nur mal fragen“, sagt er.
Politische Haltung und Lifestyle
Ein Paar, das aus Hamburg zu Besuch ist, schaut sich zwischendurch in dem Haus um. „Habt ihr euch die Hafenstraße zum Vorbild genommen?“, fragen sie. Ein Gespräch entsteht, im Mittelpunkt steht die Frage danach, was Punk eigentlich ist. Olaf Gülzow und das Paar sind sich einig: eine Idee, eine politische Haltung, in deren Mittelpunkt Gerechtigkeit steht und: „Keine Macht für Niemand“.
Aber natürlich geht es in der Punk-WG auch um den Lifestyle, der zum Punk dazugehört. Das Haus füllt sich plötzlich mit gut einem Dutzend Mädchen im Grundschulalter. Die Tanzmäuse vom TSV Heiligenhafen sind da, um für ihren Auftritt in der Punk-WG zu proben. Sie freuen sich schon auf die schwarzen Lederjacken, die sie selbst besprühen dürfen.
DIY als Säule des Punks

Jemand bringt einen leeren Kasten Bier weg und stellt dafür einen vollen wieder ins Haus. Jeder hat hier irgendwas gemacht für die Gemeinschaft. „Do it yourself ist eine Säule des Punks“, so Olaf.
Nach der Kult(o)urnacht soll es weitergehen mit dem Ort. Für die Zwischennutzung des Hauses im nächsten, vielleicht auch noch im übernächsten Jahr, wollen die beiden einen Verein gründen: Kreativkaleidoskop. Wer das Haus im Thulboden 11 nutzen will, solle sich einfach bei ihnen melden. Dabei wollen sie kostenlos und niedrigschwellig bleiben. Auch Tourist*innen seien immer willkommen – aber die Zwischennutzung des Hauses sei kein Tourismusprojekt.
Der nächste Termin steht schon fest: Am 5. September gibt es in der Punk-WG indische Musik von Samuel T. Klemke & Kalyani. Bis dahin muss dann noch aufgeräumt werden.