Vom Figurentheater-Festival Pole Poppenspäler in Husum über die NordArt in Rendsburg und das Wacken Open Air im Kreis Steinburg bis zu den Nordischen Filmtagen in Lübeck – Schleswig-Holstein bietet Kultur satt. Aber verglichen mit anderen Bundesländern gibt das Land unterdurchschnittlich wenig Geld dafür aus. Zeitweise stand Schleswig-Holstein im Bundesvergleich sogar auf dem letzten Platz, aktuell ist es das drittletzte unter den Flächenländern. In Zeiten knapper Kassen stellen sich Fragen: Welche Projekte, welche Kunstschaffenden erhalten Geld, wer geht leer aus? Braucht es ein Gesetz, das Land und Kommunen verpflichtet, Kunst und Kultur zu fördern?
Orte für Kunst im weitesten Sinne
Überregional bekannte Kulturhäuser wie die Pumpe in Kiel, das Volxbad Flensburg oder der Speicher in Husum und lokale Angebote wie der Kulturverein Klappstuhl in Kellinghusen gehören zu den Mitgliedern der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Soziokultur Schleswig-Holstein.
Sie alle bieten Orte, an denen Kunst im weitesten Sinn stattfindet. „Es gibt Lesungen, Konzerte, es wird getanzt oder gemeinsam gekocht“, beschreibt LAG-Geschäftsführerin Mieke Bohl die Bandbreite. „Bei Soziokultur geht es auch immer darum, Menschen zusammenzubringen und Gesellschaft zu gestalten.“ Gerade im ländlichen Raum seien solche Orte als „Anknüpfungspunkte“ kleiner Initiativen wichtig. Im Treff trauen sich Jugendliche zum ersten Mal auf eine Bühne, Senior:innen spielen Karten, nebenan probt der Shanty-Chor. Dadurch könne die ganze Region gewinnen, sagt Bohl. „Wer sich nicht selbst künstlerisch betätigen will, steht hinterm Tresen oder geht in den Vorstand des Fördervereins.“
Menschen zusammenbringen, Platz zum Ausprobieren neuer Ideen – gerade angesichts der gesellschaftlichen Spaltung klingt das gut. Aber nur etwa die Hälfte der 41 Mitgliedsorganisationen der LAG Soziokultur erhalten Fördermittel. Fast alle „hangeln sich von Projekt zu Projekt“, sagt Bohl. Doch um die Arbeit aufrecht zu erhalten, brauche es eine langfristige Grundförderung und damit eine planbare Perspektive. Aktuell gilt ein Strukturförderprogramm, das sich speziell an soziokulturelle Zentren wendet. Die Förderung in der Fläche solle verstetigt werden, sagt Kultur-Staatssekretär Guido Wendt dem kulturkanal.sh. „Durch einen Matching Fonds wird das Land Mittel vergeben, sofern sich auch die örtlichen Kommunen an der Finanzierung beteiligen.“
Alle schauen auf den Landeshaushalt
Wird der Landeshaushalt Mitte März wie geplant beschlossen, ist für alle Posten im Kulturbereich sogar ein kleiner Zuwachs drin. Möglich ist das, weil einige größere Projekte wie das „Digitale Haus der Landesgeschichte“ verschoben wurden. Doch wie es ab 2025 weitergeht, ist offen. Denn auch die Leuchttürme der Kulturlandschaft, die Stiftung Landesmuseen, die Bibliotheken oder das Schleswig-Holstein Musikfestival, strahlen nur dank öffentlicher Gelder.
Wer also kriegt was? Im Dezember diskutierte der Kieler Landtag die Kulturpolitischen Leitlinien der schwarz-grünen Regierung. Diese Leitlinien sind Ergebnis des Kulturdialogs, den Land und Kommunen mit den Verbänden der Kunst- und Kulturschaffenden führen. Alle Beteiligten haben sich im „Kulturpakt 2030“ darauf geeinigt, bis zum Jahr 2030 die öffentlichen Ausgaben für Kultur anzuheben. Das Ziel ist, den Durchschnitt der Flächenländer zu erreichen. Von diesem Ziel ist Schleswig-Holstein aber noch weit entfernt.
Im Tagesgeschäft rutscht Kultur in den Hintergrund
Im Landtag lobten alle Parteien die Bedeutung der Kunst- und Kulturszene im Land. Aber zur Wahrheit gehört auch: „Das Thema ist eines, das eher in den Hintergrund gerät, wenn andere Dinge scheinbar so viel wichtiger sind“, sagte die zuständige Ministerin Karin Prien (CDU) im Landtag. Tatsächlich rutschen im Bildungs- und Kulturausschuss des Landtags die Beratungen über ein Fördergesetz für die Musikschulen immer wieder von der Tagesordnung. So etwas müsse gut vorbereitet sein, sagen Beteiligte im Gespräch mit dem kulturkanal.sh. Heißt aber auch: Ein Selbstgänger sind kulturpolitische Themen nicht.
Braucht das Land ein Kulturfördergesetz?
Den weitesten Vorstoß wagt Jette Waldinger-Thiering vom SSW. „Kultur gehört zur Daseinsvorsorge dazu“, sagt sie im Gespräch mit dem kulturkanal.sh. Nach der Corona-Zeit sei es wichtig, die Menschen wieder zu Veranstaltungen, in Theater und Kinos zu bringen. Denn die Gemeinsamkeit der Kultur fördere auch das Verständnis für andere Kulturen, trage zur Integration bei. Wichtig seien daher die „kleineren Orte der Begegnung“. Denn die seien auch ein Standortfaktor, um Arbeitskräfte zu gewinnen, etwa für die geplante Nortvolt-Giga-Fabrik bei Heide, sagt die SSW-Politikerin. Sie fordert daher ein „Kulturfördergesetz“. Es soll dafür sorgen, dass Kunst und Kultur keine freiwilligen Leistungen der Gemeinden, sondern Pflichtausgaben sind. So ein Gesetz gibt es bereits in Nordrhein-Westfalen.
„Ohne finanzielle Mittel bleibt das Fördergesetz ein Papiertiger.“
Kilian Lembke, Landeskulturverband
Grundsätzlich sei das eine gute Idee, sagt Kilian Lembke, Vorsitzender des Landeskulturverbandes Schleswig-Holstein. „Ein Kulturfördersetz wäre ein klares Bekenntnis staatlicher Verantwortung, und die ist gerade für die Kultur sehr wichtig. Doch ohne finanzielle Mittel bleibt so ein Gesetz ein Papiertiger.“ Angesichts der Haushaltslage – „und die wird künftig eher schlechter als besser“, fürchtet Lembke – sei es dennoch wichtig, Land und Kommunen zu verpflichten, kulturelle Angeboten zu erhalten. Der Verband führe über die Fragen zurzeit viele Gespräche. „Im Kulturbereich zu sparen, wäre ein fatales Signal“, glaubt Lembke. „Zumal das Einsparpotential im Kulturhaushalt im Vergleich zum Gesamthaushalt gering ist, aber die Kultureinrichtungen in ihrer Existenz bedroht.“
Auch Uta Röpcke, kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, befürwortet die Idee eines Kulturfördergesetze grundsätzlich. „Ich habe immer gesagt: Kultur gehört ins Grundgesetz.“ Aber ihre Bedenken sind ähnlich wie die von Lembke. Denn in Schleswig-Holstein stehen „Schutz und Förderung der Kultur“ schon in der Landesverfassung. Daher bringe ein weiteres Bekenntnis wenig: „Ein gesetzlicher Rahmen ohne finanzielle Mittel hilft der Kultur nicht.“ Auch der Blick nach Nordrhein-Westfalen zeige, dass dort zunächst zahlreiche Einzelgesetze geschaffen wurden. Daher sei Schleswig-Holstein auf dem richtigen Weg: Nach Gesetzen zu Bibliotheken und Denkmälern seien nun die Musikschulen an der Reihe. Am Ende könne dann ein übergreifendes Kulturfördergesetz stehen.
Kultur bleibt eine freiwillige Leistung
Doch bis es soweit ist, bleibt Kultur in den Gemeinden eine freiwillige Leistung. Das heißt auch, dass Gemeinderäte beschließen können, kein Geld für örtliche Treffs, kleine Projekte, freie Bühnen zu geben. Das ist eine Gefahr, auch in Hinblick darauf, dass auch in Schleswig-Holstein die Zustimmung für rechte und rechtsextreme Parteien steigt, für eine freie Kunst- und Kulturszene mit ihrer bunten Vielfalt das Feindbild darstellt. Die Landesregierung setzt auf die interkommunale Zusammenarbeit „mit dem Ziel der Verknüpfung und Bündelung von Kultur- und Bildungsangeboten in mehreren Gemeinden“, so Staatssekretär Guido Wendt. „Die vom Land eingerichteten und finanzierten Kulturknotenpunkte helfen dabei.“ Er betont, dass die Umsetzung des Kulturpakts nur gemeinsam mit den Kommunen gelingen könne. „Wir hoffen, dass diese Partnerschaft weiterhin stabil und fruchtbar bleibt“, sagt Wendt.
Trotz solcher Ansätze vermisst Sophia Schiebe (SPD) zurzeit eine Vision der Landesregierung, wie die Kulturlandschaft aussehen solle. Es gehe nicht allein um Geld, sondern um eine echte Strategie, ein „kulturpolitisches Herz“, das für „soziale Gerechtigkeit, kulturelle Teilhabe und für eine lebhafte künstlerische Szene“ schlage, sagt die Abgeordnete.
Strategisch in die Infrastruktur investieren
Die Grüne Uta Röpcke widerspricht. Die Kulturpolitischen Leitlinien gäben genau diese Strategie vor und definierten, was der schwarz-grünen Regierung wichtig sei: digitale Transformation, ökologische Nachhaltigkeit, kulturelle Teilhabe und Diversität, kreative und kooperative Räume sowie die Förderung von Prozessen, um in den genannten Bereichen besser zu werden. Wenn es nicht möglich sei, jedes lokale Projekt direkt zu fördern, sei es sinnvoll, in Infrastruktur zu investieren. Röpcke nennt als Beispiel die Servicestelle Nachhaltigkeit beim Landeskulturverband am Nordkolleg Rendsburg. „Dort geben wir Mittel hin, damit sich Kulturakteur:innen beraten lassen können.“ Das Land könne künftig Fördergelder davon abhängig machen, ob ein Theater ein gutes Abfallkonzept hat oder ein Konzert dafür sorgt, dass alle Bevölkerungsgruppen sich willkommen fühlen.
Einig sind sich die Akteur:innen der Kulturlandschaft mit den Kulturpolitiker:innen des Landtags in einem Punkt: Es braucht kleine und große Kulturstätten als „dritte Orte“ der Begegnung – gerade in den Zeiten knapper Kassen und gesellschaftlicher Spaltung.