Sich selbst und die anderen hören – in der Stille

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In der Pinneberger Drostei wurde am Sonntag eine Kunstausstellung über Stille eröffnet – im vorletzten Wintermonat, wenn man eigentlich denke würde, dass wir eh schon viel zu viel davon haben. Es ist sehr ruhig draußen: Kaum Vogelgesang, keine spielenden Kinder, selbst lärmende Betrunkene ziehen sich in die Häuser zurück. Vielleicht tut es gerade jetzt gut, Wertschätzung für die Stille zu finden. Aushalten muss man sie eh.

Stille Musik

Susanne Maurer: 2023 März #3. Foto: Pauline Reinhardt
Susanne Maurer: 2009 Oktober #3 Foto: Pauline Reinhardt

In der Drostei zeigt die Künstlerische Leiterin Stefanie Fricke stille Bilder von Jochen Hein, Susanne Maurer, Elke Schweigart und Alexander Strohte. Aber es gibt auch stille Musik, wie sie in ihrer Eröffnungsrede erzählt. Früher hat sie als Musikvermittlerin bei den Symphonikern Hamburg gearbeitet. Das Orchester spielte damals Orchester 4’33 von John Cage – ein Stück ganz ohne Noten, bei dem die Musiker*innen nahezu regungslos vorm Publikum stehen. Stefanie Frickes Frage an die Zuschauer*innen: Was habt ihr gehört?

Die Erwachsenen hörten vor allem „nichts“, die Kinder ganz viel, „die U-Bahn unter der Laeiszhalle“, „Räuspern“. Und ein Kind sagte: „Ich habe mich selbst gehört.“

Der Künstler und Kulturvermittler Anders Petersen (den wir hier bei kulturkanal.sh bereits porträtiert haben) spricht ebenfalls bei der Eröffnung – und geht ebenfalls auf dieses Lied ein. Er schließt daraus: „Vollkommene Stille gibt es nicht.“

Ausstellung mit Anleitung

Die Ausstellungseröffnung am 19. Januar, einem Sonntag, also Ruhetag, ist natürlich gar nicht still. Die Leute unterhalten sich, es sind viele gekommen, „Sekt oder O-Saft?“, ein Glas zerbricht, wir hören Kinderstimmen und beschwipste Erwachsene.

Stefanie Fricke rät deswegen: „Wiederkommen, wenn es leerer ist.“

Anders Petersen schreibt die Anleitung für die Ausstellung weiter. Man solle dicht an die Bilder rangehen und alles andere ausblenden, denn dann würde folgendes passieren: „Wir ergänzen und kommen zu unseren eigenen Bildern.“ Petersen sagt das konkret über die Werke von Elke Schweigart, über ihre leeren Berge und Dünen. Aber es trifft auf alle Bilder in dieser wundervollen Ausstellung zu. Sogar auf die Portraits.

Stille Menschen

Stille lässt sich nicht nur in Landschaften und abstrakten Formen darstellen. Jochen Hein: Corinna. Foto: Pauline Reinhardt

Ja, Stille lässt sich nicht nur in Landschaften und abstrakten Formen darstellen. Ja, Jochen Hein malt nicht ausschließlich großformatige Bilder vom Meer, die aussehen wie Fotografien, sondern auch großformatige Bilder von Menschen, die aussehen wie Fotografien.

Nur die Gesichter und Hände der Portraitierten sind zu sehen, ihre Körper verbirgt die Schwärze – sie sehen so aus wie wir in unseren dicken Wintermänteln oder wie Schauspieler*innen auf einer dunklen Bühne. Nichts lenkt uns vom Wesentlichen ab. Und das ist keineswegs die Frage danach, was uns der Künstler sagen will, sondern: Was sagen uns die Gemalten? Was teilen sie uns schweigend mit? Denn in der Stille hören wir nicht nur uns selbst, sondern auch die anderen.

Alles Wichtige zur Ausstellung

Elke Schweigart: Spákonufell II. Foto: Pauline Reinhardt
Elke Schweigart: Spákonufell II und III. Foto: Pauline Reinhardt

Stille. Arbeiten von Jochen Hein, Susanne Maurer, Elke Schweigart und Alexander Strohte

Sonntag, 19. Januar bis Sonntag, 2. März 2025

Die Drostei | Dingstätte 23 | 25421 Pinneberg 

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 11–17 Uhr, Eintritt: 4 Euro

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