Christel Fries und die Plattdeutsche Gilde Eckernförde

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Beinahe wäre es vorbei gewesen  mit der Plattdeutschen Gilde in Eckernförde. Aus gesundheitlichen Gründen wollte Heinz Gauert sein Amt als Vorsitzender schon seit einer Weile abgeben, allerdings gab es Schwierigkeiten, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden. Ohne Vorsitzenden hätte die Gilde aufgelöst werden müssen. Die Suche zog sich hin, bis sich schließlich Christel Fries meldete. Sie brachte  es nicht übers Herz, die Gilde eingehen zu sehen.  

Christel Fries mit Michel der Handpuppe mit Wuschelfrisur im Fischerhemd. Foto: Verena Schmidtke

Plattdüütsch in Eckernförde ist untrennbar mit Christel Fries verbunden. Eines ihrer Ämter ist das als Vorsitzende des Vereins der Stadtführer im Ort. Nicht nur Einheimischen ist sie ein Begriff, auch zahlreichen Touristen wird sie bekannt sein: Zusammen mit Rolf Bahr als «Fischer Rolli» erklärt sie als Opsteekfru Stine die Bedeutung der Sprotten für die Stadt  – und zeigt noch dazu, wie diese fachgerecht verspeist werden: „Koop af, Steert af, Graat rut un rin in de Snuut.“(Kopf ab, Schwanz ab, Gräte raus und hinein in den Mund). Auch in der Heimatgemeinschaft Eckernförde engagiert sie sich im Vorstand. Vertreten ist sie ebenfalls im Plattdeutschen Rat für Schleswig-Holstein. Nun also die Plattdeutsche Gilde.

Die Geschichte der Gilden

Auf ihr vielfältiges Engagement angesprochen, lacht Christel Fries herzlich. Für sie müsse ein Tag definitiv mehr als 24 Stunden haben. Zu ihren Beweggründen blickt sie zurück: „Ich bin eine Borbyer Deern und mit der Borbyer Gilde aufgewachsen, eine der größten und ältesten Knochenbruch- und Totengilden Schleswig-Holsteins. Genauso wie mit den weiteren Eckernförder Gilden.“ Diese sind aus der Stadtgeschichte gar nicht wegzudenken. Gilden fungierten besonders bei Kaufleuten als Genossenschaften und für Mitglieder als Versicherungen.

So gibt es in der Stadt noch die Bürger- und Schützengilde von 1570 – sie diente dem bewaffneten Schutz der Bürger und bot wie heutige Versicherungen Hilfe bei Krankheit und Todesfällen. Daher rühren auch die klingenden Namen wie eben «Knochenbruch- und Totengilde», oder «Sterbegilde». Weiter zu nennen wären die «Eckernförder Beliebung» von 1629 und schließlich die «Plattdeutsche Gilde Johan Hinrich Fehrs Eckernför». Untereinander herrscht ein gutes Miteinander, regelmässige Treffen gehören dazu – genauso eine Vielzahl von Traditionen wie Umzüge, Empfang im Rathaus, Königschießen und Gildefeste.

Mit ihren inzwischen 113 Jahren ist die Plattdeutsche Gilde die Jüngste im Bunde, benannt nach dem Dichter Johann Hinrich Fehrs (1838 – 1916). In den Statuten der Gilde ist festgehalten: „Die Gilde will die plattdeutsche Sprache hegen, pflegen und fördern: denn Plattdeutsch ist in Eckernförde zu Hause! Die Gilde ist offen für jeden – für Jung und Alt, für Hochdeutsche und Plattdeutsche.“

Neuer Vorstand in der Plattdeutschen Gilde Eckernförde

Mit ihren beinahe 190 Mitgliedern zählt sie zu den gut aufgestellten Vereinen und doch war es schwierig, den Vorstandsposten zu besetzen. Auch Christel Fries war bis vor einigen Jahren aktiv in der Gilde. Umstritten war seit 2007 die plattdeutsche Schreibweise des Ortsnamens auf dem Ortsschild Eckernförde.  „Der Richtigkeit halber müsse es Eckernför, also mit einem ö, heißen, dies ist sowohl phonetisch als auch historisch durch die Sprachexpertise eines Wissenschaftlers für Niederdeutsch belegt“, führt Fries aus. Auch nach der Rechtschreibreform hätte das so bleiben müssen, denn Eigennamen fallen nicht darunter. Selbst ein Gutachten änderte nichts. Nach weiteren Diskussionen 2016 und 2017 blieb es bei „Eckernföör“ auf dem Ortsschild, als Konsequenz traten einige Mitglieder aus der Gilde aus – darunter Christel Fries. Ein Grund, weshalb es ihr nicht ganz leicht fiel, sich um den Vorsitz der Gilde zu bewerben. „Das hat mich schlaflose Nächte gekostet“, erzählt sie. „Doch es gab sehr viel Zuspruch, dass ich es dennoch machen sollte. Außerdem kann man so eine traditionsreiche Gilde ja auch nicht sterben lassen.“ Bis wenige Tage vor der Vorstandsitzung im März 2025 war nicht klar, ob die Plattdüütsch Gill bestehen bleiben konnte oder nicht. Es hatten sich zwar einige bereitgefunden, verschiedene Positionen im Vorstand zu übernehmen – aber keine Bewerbenden für den Vorsitz.

Und so gab in der Gilde am Sitzungsabend große Erleichterung und Unterstützung, als sich Christel Fries für den freiwerdenden Posten als Vorsitzende bewarb. „Dieser überwältigende Zuspruch hat mich sehr berührt“, erinnert sich Fries, „dafür bin ich sehr dankbar.“ Spürbar war dieser am ersten Lesenachmittag der Gilde nach ihrer Wahl – eine Veranstaltung, die regelmäßig stattfindet. „Dafür waren wir in Eckernförde im Lokal «Abseits». Über 70 Besuchende waren gekommen“, freut sich die Vorstandsvorsitzende über die ungewöhnlich hohe Anzahl der Teilnehmenden. Das Interesse an der Lesung sei aber nicht ihr alleiniger Verdienst gewesen,  mit dabei waren die namhafte Akkordeonspielerin Meike Salzmann, sowie der bekannte Autor und Rezitator Klaus Dieter Tüxen. Dieser engagiert sich ebenfalls sehr für den Erhalt des Plattdeutschen.

Viele Ideen für die Zukunft

Nach diesem guten Start in die Gilde gehe es nun um Erhalt sowie Erneuerung, so Fries: „Die Gilde hatte vor Corona noch mehr im Angebot als den Lesenachmittag. Eine Aufgabe wird es sein, dieses wieder mit Leben zu füllen und dabei zugleich jüngere Leute anzusprechen.“ Mit den weiteren Vorstandsmitgliedern ist die Gilde gut aufgestellt. Neu im Vorstand sind auch: Frauke Bruhn und Andrea Hardt, sowie Kassenwart Sönke Jensen.

Gemeinsam soll eine Herzensangelegenheit der Gilde wieder belebt werden: Die Plattdeutschen Kulturtage in Eckernförde. Vor der Pandemie fanden diese alle zwei Jahre statt, eine Zusammenkunft  aus Vereinen und Plattdeutschfreunden. Dabei gab es Lesungen, Musik, Theater und Kinderspiele. Christel Fries hat dafür bereits die Eckernförder Stadthalle gebucht. „Am 3. Oktober 2026, also am Tag der Deutschen Einheit, ist es soweit“, sagt sie. „Vertreten sein werden die Gilden, Vereine, wir planen einen Poetry Slam auf Plattdeutsch, es wird Büchertische geben und noch einiges mehr.“ Trotz des Feiertags hofft sie ebenso wie ihre Mitstreiter auf rege Teilnahme.

Weiter steht die Webseite der Gilde im Fokus: „Die werden wir auch bald überarbeiten. Da gibt es bereits Ideen.“ Es bewegt sich deutlich etwas in der traditionsreichen Gilde. „Wichtig ist, dass man offen ist und miteinander redet“, befindet die Vorstandsvorsitzende. Von Seite der Touristik gebe es hilfreiche Unterstützung, diese erhoffe sie sich auch von der Stadt. Es geht immerhin um ein Kulturgut, das lebendig bleiben soll.

Dafür bildet sich Christel Fries auch am Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holsteins, kurz IQSH, weiter: „Dann ist man auf dem neuesten Stand.“ Die Aktion „Schölers lest Platt“ wurde wieder fest in Eckernförde integriert. Der Regionalausscheid findet in der Stadtbücherei Eckernförde statt, gefördert wird das Vorhaben vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund. Mittlerweile gebe es in Schleswig-Holstein 57 Modellschulen, in denen die Sprache zum Unterricht gehört. „Es ist eine gesprochene Sprache“, unterstreicht Fries, „beispielsweise in Eckernförde, da gibt es unterschiedliches Platt. Das der Fischer unterscheidet sich von dem der Kaufleute. Dazu zum Beispiel die Unterschiede etwa zwischen Dithmarscher und Angeliter Platt.“

In Pflegeheimen, etwa bei Sommerfesten, ist Christel Fries oft anzutreffen, gerade für die älteren Generationen hat das Plattdeutsche viel Vertrautes.  Damit die Lebendigkeit dieser Sprache bleibt, besucht sie auch Kindergärten, um schon die Lütten mit Plattdeutsch vertraut zu machen. Als Begleitung hat sie Michel dabei, eine Handpuppe mit Wuschelfrisur im Fischerhemd. „Mit ihm und ein paar Versen, da ist das Eis schnell gebrochen und die Kleinen lernen schnell.“ Kurz darauf hält sie ein Büchlein in der Hand „Wildtiere op Platt“. Lehrreich selbst für jene, die denken sie könnten Platt.

Für die Zukunft hoffe sie, das gute Miteinander der Eckernförder Gilden untereinander mit pflegen  zu können. „Die Vorstände treffen sich zwei Mal im Jahr“, berichtet Fries. „Ideen, was in der Plattdeutschen Gilde noch alles auf die Beine gestellt werden könnte, habe ich massenhaft“, meint sie lachend.

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