Tieftraurig, irgendwie abstoßend und zugleich schön in all seiner Offenheit

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Der Inhalt von Tove Ditlevsens Roman Vilhelms Zimmer lässt sich auch mit ein paar Zeilen von dem Musiker Zartmann zusammenfassen:

„Ich hab dir Songs geschrieben, ein Stapel Texte unterm Bett

Vielleicht entsorg ich die, frag mich nicht, worum’s darin geht

Denn alles, was ich schreib, hab ich so erlebt

Es geht um Großstadt, paar Drogen und wie du manchmal fehlst“

So haben ein Rapper aus dem Berlin des einundzwanzigsten und eine Dichterin aus dem Kopenhagen des zwanzigsten Jahrhunderts gemeinsame Ausgangspunkte: das autobiografische Schreiben, die Großstadt mit ihren Abgründen und die Abwesenheit einer geliebten Person.

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Denn Lise, die Dichterin, und Vilhelm, der Journalist, sind nicht mehr zusammen. Dieses Mal endgültig, nach einigen Jahrzehnten voller Trennungen und Verletzungen. Das nimmt eine Erzählerin, die manchmal Tove Ditlevsen zu sein scheint , manchmal Lise, zum Anlass, von Vilhelm zu erzählen – oder von Victor. Denn von dem wurde Tove Ditlevsen 1971 verlassen, vier Jahre später erschien dieses Buch.

Rache nehmen an einem Narzissten

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Chronologie betrachtet sie ihren Ex-Ehemann nur durch die Erzählungen und Erinnerungen von anderen, meistens ohne ihn selbst zu Wort kommen zu lassen. Das ist ihre Art Rache zu nehmen. Denn obwohl Lise für ihre sehnsuchtsvollen Gedichte bekannt ist, geht es hier nicht um die große Liebe, sondern um die Beziehung zu einem Narzissten. Poetisch und präzise, das Dichterische und das Journalistische vereinend, erzählt sie, was sie nach der Trennung beschäftigt:

Altern: „Älter zu werden heißt, alle Erfahrungen gelassen im Licht hin- und herzudrehen und selbst die allerschmerzlichsten furchtlos zu betrachten.“

Einsamkeit: „Und jetzt waren sie alle tot, und das war die wirkliche Einsamkeit; dass es niemanden mehr gab, mit dem man über seine Kindheit sprechen konnte.“

Liebe und Glück: „Sie glaubt, wenn es glückliche Paare auf dieser Welt gibt, beruhe deren Glück auf einer völligen Unkenntnis der wahren Natur des anderen.“

Tove Ditlevsen: Vilhelms Zimmer

Berlin 2024: Aufbau Verlag

206 Seiten, 22 Euro

ISBN: 978-3-351-03937-0

Das Leben ist ein Kampf für Lise. Sie kämpft gegen Vilhelm, der ihr den Erfolg nie gegönnt, sogar dagegen gearbeitet hat. Sie kämpft auch gegen das Patriarchat, ohne es jemals konkret als Patriarchat zu bezeichnen – wenn Lise noch aus der Psychiatrie heraus, in der sie die Trennung von Vilhelm verarbeitet, per Zeitungsannonce nach einem neuen Mann an ihrer Seite sucht und sich die Klatschpresse darauf genauso stürzt wie auf ihre Suizidversuche.

Der letzte Roman endet mit einem Gedankenstrich

Es ist der letzte Roman der großen dänischen Schriftstellerin, 1975 veröffentlicht, bevor sie sich mit 59 Jahren das Leben nahm. Die Übersetzerin und Nachwortschreiberin Ursel Allenstein kommentiert: „Literatur und Wirklichkeit korrespondieren hier auf atemberaubend grenzüberschreitende Weise miteinander und greifen aufeinander über – nehmen die fiktionalen Ereignisse die spätere Realität sogar vorweg. Tove Ditlevsen hatte einen genauen Plan davon, wie das Buch ihres Lebens enden sollte.“

Und so endet auch Vilhelms Zimmer mit einem Gedankenstrich, auf den kein Gedanke mehr folgt –

Doch anders als der Musiker Zartmann hat Tove Ditlevsen nie entsorgen wollen, was sie geschrieben hat. Ihr Schreiben ist so selbstbestimmt, wie es ihr Leben wegen menschlichen und substanzlichen Abhängigkeiten nie sein konnte. Das Ergebnis ist tieftraurig, irgendwie abstoßend und zugleich schön in all seiner Offenheit.

Im Aufbau-Verlag sind von Tove Ditlevsen geschrieben und von Ursel Allenstein übersetzt ebenfalls Gesichter und Böses Glück erschienen sowie die Bände der Kopenhagen-Trilogie Kindheit, Jugend und Abhängigkeit.


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