Der Saal im Zentrum des Zoologischen Museums Kiel umfasst zwei Stockwerke. Wandelgänge führen ringsum, an deren Wänden in Vitrinen ausgestopfte Vögel und Säugetiere stehen. Die Mitte des Saals beherrschen die Skelette dreier Wale, das größte misst rund 13 Meter. Die unter der Decke schwebenden Riesenbiester bieten einen spektakulären Anblick, doch die wahren Schätze dieses Museums, das im Jahr 2025 sein 250. Gründungsjubiläum feiert, liegen im Verborgenen.
Sammlung reicht zurück bis 1775
„Unser Herzstück ist die Sammlung“, sagt Museumsleiter Dirk Brandis. Diese Sammlung reicht zurück ins Jahr 1775. Damals wurde der dänische Insektenforscher Johann Christian Fabricius (1745–1808) auf eine Professur für „Naturgeschichte Ökonomie und Cameralwissenschaften“ an die Kieler Universität berufen und begann im selben Jahr mit dem Aufbau einer naturkundlichen Sammlung. Seine Nachfolger, darunter der Zoologe Karl August Möbius (1825–1908), fügten weitere Gegenstände und Forschungsergebnisse hinzu. Heute trägt der Förderverein des Museums, die Karl-August-Möbius-Gesellschaft, den Namen des Forschers. Der Förderverein unterstützt das Museum bei einzelnen Projekten finanziell.

Der Zoologe Karl August Möbius, hier ein Bild aus dem Museum, vergrößerte die Sammlung des Zoologischen Museums.
Foto: Esther Geißlinger
Unter anderem läuft seit 1850 eine Messreihe zur Fauna in der Kieler Bucht. An den heutigen und früheren Beständen lassen sich zum Beispiel klimatische Veränderungen ablesen. Für solche zoologischen und biologischen Forschungen arbeitet das Zoologische Museum Kiel mit einer Reihe von wissenschaftlichen Instituten zusammen. Das Haus gehört, anders als viele andere Museen in Schleswig-Holstein, nicht zur Stiftung Landesmuseen, sondern ist Teil der Kieler Christian-Albrecht-Universität (CAU).
Aber auch volkskundliche Erkenntnisse lassen sich ermitteln, etwa über das Verhältnis des Menschen zur Natur. Als Beispiel nennt Brandis die „Kanalschwimmer“. Gemeint sind Tümmler, die es schaffen, die Schleusen zu überwinden und durch den Nord-Ostsee-Kanal in die Kieler Förde gelangen. Weil die Delfine dort Fische fressen, wurden sie früher meist bejagt und getötet. Knapp kommentierten die „Kieler Nachrichten“ in den 1950er Jahren: „Kanalschwimmer – erledigt“. Als sich im Januar 2025 erneut ein Tümmler in der Förde zeigte, freute sich die Zeitung über den „Seltenen Gast“ und titelte: „Das war etwas ganz Besonderes.“
Ein forschendes Museum – eine Besonderheit
Die Sammlungen seien „Archive des Lebens“, sagt der Direktor. „Aber kaum jemand weiß, was sich dahinter verbirgt.“ Daher stehen in einem Raum des Hauses altmodische Gläser mit handbeschriebenen Zetteln in Vitrinen, indirekt beleuchtet wie Edelsteine in einer Schatzkammer. In wöchentlichen Abendführungen stellen Brandis und sein Team Besucher:innen jeweils einen Gegenstand aus den Archiven ausführlich vor.

Dass Universitäten eigene Botanische Gärten und Museen unterhalten, sei früher üblich gewesen, sagt Brandis. „Doch es ist eine Besonderheit, dass ein solches forschendes Museum bis heute Bestand hat.“ Als Teil der CAU hat das Zoologische Museum „alle Aufgaben einer Universität“, betont der Professor: Neben den öffentlichen Aufgaben eines Museums meint das Lehre, Forschung und den Erhalt und Ausbau der Sammlungen.
Studierende in Master- und Bachelorfächern sowie Doktoranden sind regelmäßig im Museum, werten Daten aus und untersuchen unterschiedliche Fachfragen. Nicht nur aus den Bereichen Zoologie oder Biologie, berichtet Brandis: „Zurzeit befasst sich eine angehende Museumspädagogin mit dem Einsatz neuer Techniken wie Virtueller Realität.“
Alte Schätze modern präsentiert

Die Frage, wie sich ein so alter Bestand modern präsentieren lässt, beantwortet das Museum auf unterschiedliche Weise. Im Erdgeschoss gibt es mehrere Räume, in denen die Geschichte des Hauses selbst im Mittelpunkt stehen. In den Vitrinen stehen Exponate, die von frühen Forschungsreisen stammen, zum Beispiel das Skelett eines Einsiedler-Vogels, eines Verwandten des Dodo. An einer interaktiven Station erhalten Besucher:innen Informationen über Forscher und ihre Reisen. In anderen Räumen zeigen Videofilme evolutionäre Entwicklungen, etwa wie aus einem schwimmfähigen Landsäugetier die Wale entstanden. Buchstäblich be-greifbar wird die Vielfalt der Natur in einem Raum, in dem Blinde und Sehbehinderte Zähne vom Horn eines Narwals bis zum Haigebiss betasten können.

Architekt Gropius schuf den Museumsbau
Nicht nur die Ausstellung, auch das Gebäude selbst ist eine Besonderheit: Der Berliner Architekt Martin Gropius (1824–1880) entwarf den Bau aus gelben und roten Ziegeln, der 1881 eröffnet wurde. Er gilt heute als einer der wenigen weitgehend originalen Gropius-Bauten. Auch das Innere mit dem hohen Ausstellungsraum und den Wandelgängen ringsum ist erhalten geblieben.
Das laufende Jubiläumsjahr feiert das Museum mit einer Reihe von Veranstaltungen, Vorträgen und Konzerten. Zum Festakt am 16. Oktober 2025 soll ein neues Ausstellungsstück enthüllt werden, verrät Brandis. Geplant ist zudem eine große Ausstellung rund um die Evolution von Vögeln. Sie wird wahrscheinlich 2026 eröffnet.