„Toll, dass wir so ein Medium im Land haben“

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Schleswig-Holstein Medienminister Dirk Schrödter (CDU) gratuliert dem kulturkanal.sh zum ersten Geburtstag und erklärt, woher die „Kostenlos-Mentalität“ im Netz kommt

Für die Probleme der Verlage gibt’s noch keine Lösung

Herr Schrödter, Sie sind Minister für Medien und Digitalisierung in Schleswig-Holstein – wie informieren Sie sich selbst über das Land und die Welt?

Dirk Schrödter: Crossmedial: Morgens sehr gern im Radio und in den Tageszeitungen, abends in den regionalen TV-Magazinen, tagsüber im Internet, sprich auf den Websites der großen Medien.

Ein Team für den Kanal: Im März 2024 startete der kulturkanal.sh. Foto: Göttsche

Die meisten Menschen, vor allem die jüngeren, erhalten Nachrichten praktisch nur noch „im Netz“, wobei viele kaum einen Unterschied machen, woher die Information kommt und ob sie geprüft ist. Gleichzeitig erleben wir einen Vertrauens- und Reichweitenverlust der Printmedien und eine Kampagne gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wie kann Schleswig-Holstein da gegensteuern?

Schrödter: Wir müssen die Medienkompetenz stärken und herausstellen, dass gut recherchierte Information etwas ist, für das es sich lohnt, Geld auszugeben. Zudem sind die Länder als medienpolitisch Zuständige in der Verantwortung, Medienvielfalt sicherzustellen. Deshalb arbeiten wir an einem Regulierungsrahmen, der das sichert. Der Medienstaatsvertrag der Länder will die regionale Berichterstattung im Öffentlich-Rechtlichen stärken. Werbung, früher die wichtigste Finanzquelle der Zeitungen, verlagert sich auf die großen Internet-Plattformen. Das stellt viele Verlage und regionale Zeitungen vor enorme Herausforderungen. Dafür haben wir noch keine abschließende Lösung gefunden.

Engagement und Herzblut für das neue Medium

Die Landesregierung hat einen Wettbewerb für besseren Lokaljournalismus gestartet, als erstes profitierte das Team des kulturkanal.sh. Braucht es in heutigen Zeiten finanzielle Hilfen für Medien-Start-ups?

Schrödter: Erstmals ein Kompliment an den kulturkanal.sh! Toll, dass wir so ein Medium im Land haben, in dem sich die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner über kulturelle Angebote informieren können. Gut ein Jahr nach dem Start sind bereits 480 Beiträge erschienen, also rechnerisch mehr als einer pro Tag. Das ist bemerkenswert und zeigt das große Engagement und Herzblut der Beteiligten. Es macht Spaß, da zuzugucken. Solche Projekte brauchen einen Anschub, diesen Weg haben wir mit unserem Wettbewerb beschritten. Das ist ein Schlüssel für mehr regionale Berichterstattung, die die Vielfalt der Meinungen abbildet. Aber wir müssen darauf achten, dass Angebote auf Dauer nicht nur dank Förderung existieren, sondern wirtschaftlich tragfähig sind.

Dennoch, braucht es gegen die Welle von Fake News finanzielle Hilfen für Medien, ähnlich wie die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Schrödter: Ich halte nicht viel von weiteren Zuschüssen oder Gebühren. Das Grundproblem ist die Kostenlos-Mentalität im Internet. Die Schuld daran tragen auch die Zeitungsverleger, die begonnen haben, Texte ins Netz zu stellen. Nun fällt ihnen das auf die Füße. Denn selbst Menschen, die früher selbstverständlich für Inhalte bezahlt haben, sind inzwischen daran gewöhnt, Texte und Bilder kostenlos zu erhalten. Aber wir sollten versuchen, die Rundfunkgebühren wirksam einzusetzen. Das Interesse muss sein, mit öffentlichem Geld für öffentlichen Content zu sorgen.

Wir müssen es schaffen, dass Menschen sagen, ja, wir zahlen für gute regionale Nachrichten.

Aber der Weg dahin ist noch unklar. Wir diskutieren über steuerliche Ermäßigungen für Verlage, als Brücke in eine digitale Zukunft. Wir denken zudem darüber nach, ob wir eine technische Infrastruktur zur Verfügung stellen können, die allen regionalen Medien hilft und sie von Kosten entlastet. Aber klar ist:  In der Welt, in der wir leben, müssen sich die Medien ändern und neue Geschäftsmodelle entwerfen, die dem veränderten Nutzungsverhalten gerecht wird und damit auch die Zahlungsbereitschaft wieder steigert. Einfach die Zeitung ins Netz stellen reicht da bei weitem nicht.

Junge Menschen an Medien heranführen – aber wie?

Hilft gegen diese Kostenlos-Mentalität mehr Medienbildung, etwa in den Schulen?

Schrödter: Medienbildung und Medienkompetenz betreffen alle Bevölkerungs- und Altersgruppen. Natürlich ist es wichtig, das Thema in den Schulen in allen Fächern mitzudenken und abzubilden. Aber wir müssen auch außerschulisch etwas anbieten. Das tun wir als Land, zum Beispiel mit dem Offenen Kanal als Partner bei der Umsetzung unserer Medienkompetenzstrategie. Darüber hinaus müssen wir insbesondere die jungen Menschen an Medien heranführen und den Wert von geprüften Nachrichten klar machen. Dazu gehört auch, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) attraktiver gestalten und stärker dort präsent sind, wo junge Menschen unterwegs sind. Da ist einiges vorstellbar, etwa Kooperationen zwischen dem ÖRR und privaten, regionalen Medienanbietern.

Medien machen Nachrichten: Zum Start des kulturkanal.sh gab es eine Pressekonferenz. Foto: Göttsche

Auf Social-Media-Plattformen wie X und TikTok, aber auch auf Suchmaschinen wie Google verbreiten sich Fake News oder Hass-Botschaften. Dagegen sollen die Landesmedien-Anstalten vorgehen. Die Landesregierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein halten aber ihre gemeinsame Medienanstalt im Vergleich zu anderen Ländern besonders kurz. Sollten Sie nicht ändern?

Schrödter: Man kann natürlich eine Medienanstalt gut aufstellen, aber ich gebe zu Bedenken, dass zurzeit immer die Medienanstalten für die Überwachung zuständig sind, in deren Gebiet die Bevollmächtigten des jeweiligen Anbieters ihr Büro haben. Wenn es schwierig wird, wechselt einfach der Bevollmächtigte den Ort. Und dann? Nein, bei der Überwachung der großen Plattformen hilft Kleinstaaterei nicht weiter. Im Medienstaatsvertrag ist eine Zentralstelle verankert, die diese Aufgaben erfüllen könnte. Aber dafür müssten die Anstalten Kompetenzen abgeben, und den Willen dazu sehe ich nicht.

Gehen Menschen für’s Radio verloren?

Schleswig-Holstein will als erstes Bundesland die UKW-Verbindungen einstellen. Andere Länder zögern noch, unter anderem weil Besitzer:innen älterer Geräte keine DAB+-fähigen Radios kaufen und damit fürs Radio verloren sind. Was entgegen Sie den Bedenkenträger:innen?

Schrödter: Dass Schleswig-Holstein die Vorreiterrolle einnimmt, ist der richtig Weg. Wir setzen auf eine enge Zusammenarbeit mit unseren Radiosendern und wir setzen auf die Information der Bürgerinnen und Bürger. Private und öffentlich-rechtliche Radiosender haben sich mit der Landesregierung und der Landesmedienanstalt darauf geeinigt, die Programmverbreitung per UKW-Antenne von 2025 bis 2031 schrittweise auf Digitalradio DAB+ umzustellen. Für die Umstellung auf DAB+ Radio gibt es zahlreiche und gute Gründe, an erster Stelle mehr Medienvielfalt mit besserer Klangqualität. DAB+ kennt keine Netzüberlastung. Das hilft beim Bevölkerungsschutz: Bei Krisen wie Hochwasser, extreme Unwetter oder Chemieunfall kann zielgenau informiert werden, Radios im Standby-Betrieb lassen sich automatisch aktivieren, also „aufgewecken“. Das ist ein ganz großer Fortschritt. Natürlich ist es wichtig, niemanden abzuhängen. Das gelingt durch Kampagnen und gute Kommunikation. Und wer sich Sorgen um die Technik macht: Viele Radios können bereits DAB+ empfangen oder sind mit Adaptern umrüstbar.

Herr Schrödter, vielen Dank für das Gespräch!

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