Hallig Hooge, wie auch Helgoland, ist ein ganz typischer Ort für einen Tagesausflug in Schleswig-Holstein. Eine Fährfahrt, ein Rundgang und wieder eine Fährfahrt. Der Journalist und Autor Jan Keith hat sehr viel mehr Zeit dort verbracht. Als Jugendlicher nahm er achtmal für jeweils eine Woche an der Ferienfreizeit seiner Musikschule teil, die jedes Mal auf die Hallig führte. In den 1980er Jahren war das. Als Erwachsener kehrte er immer wieder zurück – und schreibt bis heute die Kolumne Mein Hooge für das mare Magazin. Im mare Verlag ist dieses Jahr eine Auswahl dieser Kolumnen in der Meine-Insel-Reihe erschienen: Meine Hallig Hooge.
Die Kolumnen sind unterhaltsam, liebevoll und nah dran an den Menschen, die auf Hooge leben. Gut 80 Personen sind das. Jan Keith scheint für seine vielseitigen Texten mit nahezu allen gesprochen zu haben. Wer sich etwas mit Nordfriesland auskennt, ist mit manchen Geschichten bereits vertraut, etwa über die friesische Sprache oder Tracht. Vieles ist kurzweilig und lustig, einiges geht so tief, dass man gerne einen längeren Text drüber lesen würde, wie über die Halligschule mit einer Lehrerin und zwölf Kindern, von denen eins ihr eigenes ist. Manchmal wird es auch, vielleicht unbeabsichtigt, traurig: wenn Jan Keith über einen Cineasten schreibt, der, seitdem er auf Hooge lebt, nicht mehr fünfzigmal im Jahr ins Kino geht – sondern nur noch einmal.
Hier gelten andere Regeln
Was ein wenig stört: die fehlende Anpassung der Kolumnen an die Buchform. So erfahren wir in den ersten Texten gleich mehrmals, dass der Autor in den 1980er-Jahren seine Herbstferien auf der Hallig verbrachte, mitten in der Pubertät. Das ist hilfreich, wenn man die Kolumnen mit Unterbrechungen wieder zur Hand nimmt, einen Tagesausflug auf die Hallig macht, aber hinderlich, wenn man für längere Zeit am Stück bleiben will.
Und wir wollen beim Lesen ja länger bleiben, um mehr über das besondere Halligleben zu lernen. Schnell wird deutlich: Hier gelten andere Regeln. Bei den Bürgerversammlungen dürfen die Hooger ihre Wünsche für das Supermarktsortiment äußern, selbst die Polizei schnallt sich hier nicht beim Autofahren an, und natürlich muss niemand in die Schule gehen, wenn Land unter ist.

Hamburg: mare Verlag
mit Illustrationen von Orlando Hoetzel
160 Seiten, 20 Euro
ISBN: 978-3-86648-747-5
Robert Habeck in Schlüttsiel
Was bei all diesen Informationen über den Alltag auf Hallig Hooge ein wenig fehlt: das tagesaktuelle. Auch wenn die Kolumnen von Dezember 2018 bis Dezember 2024 reichen, lassen sie ein wichtiges Thema aus diesem Zeitraum aus. Manchmal schafft es nämlich selbst Hallig Hooge in die überregionalen Nachrichten, wie im Januar 2024, als Robert Habeck nach einem privaten Aufenthalt auf der Hallig mit der Fähre zurück nach Schlüttsiel fahren wollte und dort von wütenden Protestierenden empfangen wurde, sodass er schließlich zurückkehren musste.
Die Hintergrundgeschichte dazu erfährt man im Spiegel. Sie ist ganz typisch für Hooge: ein Toter, der auf der Hallig beerdigt werden soll und eine Organistin, die dafür vom Festland anreist. Nur dass die Organistin auf der Fähre Habeck trifft, ihn fragt, wann er wieder abreisen wird, die Info in einer lokalen Whatsapp-Gruppe teilt – und dadurch den Protest am Anleger von Schlüttsiel auslöst. Diese Geschichte fehlt in Meine Hallig Hooge. Ansonsten erfährt man aber alles, was es über die Hallig zu wissen gibt – und glücklicherweise führt Jan Keith seine Kolumne auch über das Buch hinaus noch weiter.