Kultur im ländlichen Raum – wie sieht sie aus, wer schafft und wer nutzt die Angebote, und wie geht es der Szene? Solche Fragen standen im Mittelpunkt des Kulturkongresses 2025, zu dem der Landeskulturverband Schleswig-Holstein eingeladen hatte. Pikant: Während sich die fast 100 Teilnehmenden in der neuen Zentrale der Landesbibliotheken in Rendsburg versammelten, beriet in Kiel der zuständige Landtagsausschuss über den Jahreshaushalt für 2026. Die Sorge um Geld und die Frage, wie die Kulturszene mit knappen Mitteln arbeiten kann, zogen sich als rote Fäden durch den Kongress.

Zwischen „guter Nachricht“ und „Nachholbedarf“
Mit einer guten Nachricht startete Kilian Lembke, Vorsitzender des Landeskulturverbands, in den Kulturkongress-Tag. „Wir sehen, dass die vielen Gespräche, die wir geführt haben, etwas gebracht haben“, sagte er im Vorgriff auf die laufenden Beratungen zum Landeshaushalt. Das bestätigte auch Kulturstaatssekretär Guido Wendt, der ein Grußwort als Vertreter der Ministerin Dorit Stenke (CDU) hielt. Denn die werde in Kiel im Ausschuss gebraucht, sagte Wendt. Er versprach, dass es im Jahr 2026 keine Kürzungen für Kultur in der Grundfinanzierung gebe. „Das ist fast der einzige Bereich des Haushalts, der ohne Kürzung bleibt, so wie wir es 2024 zugesagt hatten“, betonte Wendt.
Denn Schleswig-Holstein hat Nachholbedarf. Im Jahr 2024 betrugen die öffentlichen Ausgaben für Kunst und Kultur pro Kopf der Bevölkerung 87,22 Euro. Damit liegt der echte Norden auf dem drittletzten Platz und deutlich unter dem Schnitt der Bundesländer, der bei 137,54 Euro pro Kopf und Jahr liegt. Das Flächenland mit den größten Ausgaben ist Sachsen mit 237,38 Euro pro Kopf. Berlin, bekanntlich „arm, aber sexy“, lässt für Kunst und Kultur 264,50 Euro springen. Die Hauptstadt steht damit auf Platz eins, verrät der „Kulturfinanzbericht 2024“ der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder.
Um dieses Ungleichgewicht zu verbessern, hatten sich Landes- und Kommunalpolitik mit den Verbänden der Kunst- und Kulturschaffenden auf den „Kulturpakt 2030“ geeinigt. Das Ziel soll sein, die öffentlichen Ausgaben für die Kultur zu erhöhen. Mittelfristig soll Schleswig-Holstein zum Durchschnitt der Flächenländer aufschließen. Guido Wendt nannte als Beispiel die Musikschulen, die mehr Geld erhalten.
„Kultur ist nicht der Kitt, wir sind nicht der Reparaturbetrieb“
Allerdings kommen Fördermittel oft nicht in der Fläche, in den mehr als 1000 Gemeinden des Landes an. Der ländliche Raum sei aber prägend für Schleswig-Holstein, sagte Kilian Lembke. „Und dort ist Kultur nicht der Kitt, wie es oft heißt, denn wir sind nicht der Reparaturbetrieb. Kultur ist das Leben.“

Getragen wird die Kultur vor Ort meist von Ehrenamtlichen – um deren Rolle ging es im weiteren Verlauf des Kulturkongresses. Doch es leben auch zahlreiche professionelle Künstler:innen in kleinen und kleinsten Orten. Was sie für ihre Region tun, berichtete Gesine Tuitjer. Sie ist am Institut für Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen tätig, einer Abteilung des Thünen-Instituts. Sie forscht zurzeit an Entrepreneurship in ländlichen Räumen, wobei sie nicht nur künstlerische oder kulturelle Start-ups im Blick hat.
Aber Kunst und Kultur hätten besondere Effekte für die Entwicklung des ländlichen Raums, sagte Tuitjer. „Kunst kann einen Ort revitalisieren, kann eine Wertschöpfung bedeuten.“ So profitiere der Tourismus von Kultur-Orten oder von Werkstätten, in denen traditionelle Techniken gezeigt werden. „Aber sie tut auch was für den Zusammenhalt in der Region“, so Tuitjer. „Kultur schafft eine lokale Identität, lässt Menschen zusammenkommen. Und wenn sie gemeinsam etwas erschaffen, sorgt das für Selbstwirksamkeit.“
„Je näher die Angebote sind, desto mehr wirken sie demokratiefördernd“
Das bestätigt Mieke Bohl von der Landesarbeitsgemeinschaft der soziokulturellen Zentren. „Je näher kulturelle Angebote sind, desto mehr binden sie Menschen ein und wirken demokratiefördernd.“ Die Investition in Kunst und Kultur auf dem Land zahle sich also aus. Aber in Schleswig-Holstein sei eine Gleichheit der Lebensbedingungen bei der Versorgung mit kulturellen Angeboten noch nicht gegeben, bedauerte sie. „Es gibt gute Ansätze, aber viele ländliche Gemeinden haben kein Geld für Kultur.“ Dabei sei gerade im ländlichen Raum die Zahl der aktiven Ehrenamtlichen besonders hoch. Hier könne mit wenigen Mitteln viel erreicht werden.
Das immer knappe Geld macht auch Jörg Bülow vom Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag Sorgen. Der ländliche Raum sei ein „Kraftzentrum“. Aber die Gemeinden erlebten zurzeit die „aktuell größte Finanzkrise der öffentlichen Haushalte“, sagte Bülow, der unter anderem auch Stellvertretender Vorsitzender der Akademie für die ländlichen Räume ist. Schon jetzt passten Aufgaben und Mittel nicht mehr zusammen, und es werde noch weiter gekürzt. Dennoch seien die Gemeinden bereit, die Lebensqualität zu verbessern. In seinem Statement beim Kulturkongress nannte Bülow Glasfaserkabel und Schulen, aber auch Räume für kulturelle Aktivitäten.
Orte sind wichtig – sei es ein Zentrum oder ein Schloss
Solche Räume seien wichtig, sagte Gesine Tuitjer: „Sei es ein Zentrum, eine Bibliothek, ein altes Schloss. Die Vereine kämpfen darum, den Zugang zu so einem Ort zu kriegen.“

Sie geht davon aus, dass in Zukunft nicht mehr Mittel zur Verfügung ständen. Daher wünschte sie sich Hilfen und Fortbildungen für Kulturschaffende, etwa dabei Hilfen zu beantragen. Mieke Bohl wünschte sich, dass nicht nur die Leuchttürme, die großen Veranstaltungen und Häuser, Geld erhalten. Denn für die Demokratie auf dem Land seien besonders die kleinen Vereine und Kulturorte wichtig. Auch Jörg Bülow unterstützte diesen Ansatz. Denn so engagiert die Ehrenamtlichen seien, sie bräuchten eine „Landebahn“, also Hauptamtliche als Ansprechpersonen und eine Infrastruktur.
Mehr zum Kulturkongress 2025 und den Haushaltsberatungen des Landes finden Sie demnächst im kulturkanal.sh.