Birte Stark, geboren 1986 in Bad Oldesloe, studierte in Hamburg Erziehungs- und Bildungswissenschaft. Seit 2023 ist sie selbstständig als Beraterin in Bad Oldesloe. Sie gibt Tipps bei Schreib-Schwierigkeiten und glaubt: „Wir müssen mehr über das Schreiben sprechen.“
Frau Stark, nehmen wir an, ich wäre Schriftstellerin und hätte eine Schreibblockade – dürfte ich mich bei Ihnen melden, und wie könnten Sie mir helfen?
Birte Stark: Auf jeden Fall dürften Sie sich melden! Ich würde als erstes fragen, wie Sie normalerweise schreiben und ob sich etwas in Ihrem Leben verändert hat. Gab es ein unschönes Feedback, mussten Sie Ihre Schreibroutine ändern? Das war während der Corona-Pandemie ein Problem: Wer bisher immer im Café schrieb, konnte das nicht mehr. Oder liegt es an der Geschichte, die Sie schreiben? Wissen Sie nicht, wie es weitergeht, wenn Sie mit dem Schreiben fertig sind? Solche Fragen stelle ich, von da aus geht es weiter.
Man kann das Schreiben lernen

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, anderen beim Schreiben zu helfen?
Stark: Als ich an der Universität Hamburg Erziehungs- und Bildungswissenschaft studierte, erzählte eine Freundin von einer Weiterbildung für Schreibberatung. Das interessierte mich. Die Weiterbildung dauerte ein Jahr. Sie ist ziemlich amerikanisch angehaucht, denn in den USA ist die Idee sehr verbreitet, dass man Schreiben lernen kann. Die Schreibberatung ist in Deutschland ein junger Wissenschaftszweig, daher ist die Hürde nicht so hoch, auch als Neuling aktiv mitzugestalten. Ich habe schon während des Studiums bei der Schreibwerkstatt Mehrsprachigkeit als Beraterin gearbeitet, Seminare in Schreibdidaktik besucht, an diversen Konferenzen teilgenommen und sie später selbst mitorganisiert.
Sie sagten es gerade: Hierzulande herrscht die Vorstellung, dass die Muse heranflattert, die Schriftsteller:in küsst und dann die Worte wie ein Sturzbrach herausfließen. Wie hoch ist die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, wenn das nicht klappt?
Stark: Das hängt ein bisschen von der Textart ab – bei nicht-literarischen Formen ist es leichter, Hilfe anzunehmen, ebenso im jüngeren Alter. Hinzu kommt: Je länger Menschen schreiben, desto besser wissen sie, dass die Worte selten mühelos herauspurzeln. Aber ja, die Hemmschwelle ist grundsätzlich hoch. Nicht alle wollen eine Beratung, sondern schließen sich zu Schreibgruppen zusammen oder lesen Ratgeber. Mein Ansatz unterscheidet sich aber von dem vieler Coachings, bei dem zum Beispiel Tipps für einen Bestseller versprochen werden. Da ist auch einiges an Quatsch dabei, fürchte ich. Wenn Menschen zu mir kommen, gebe ich oft nur einen Schreibimpuls. Es geht darum, auf sich selbst zu schauen. In kaum einer Tätigkeit steckt soviel von unserer Biografie wie beim Schreiben.
Mit der Sprache spielen
Wer nimmt Ihr Angebot in Anspruch?
Stark: Das ist ganz unterschiedlich. Ich berate eine ältere Frau, die an einer autobiofischen Geschichte arbeitet. Sie hat bereits 300 Seiten geschrieben, ist aber eigentlich nie über den Anfang hinweggekommen, weil die Geschichte sie so belastet. Andere wollen einfach mit der Sprache spielen. Wieder andere müssen wissenschaftliche Arbeiten abliefern. Das akademische Schreiben fällt oft schwer und ist mit vielen Ängsten verbunden.
Blöde Frage: Schreiben Studierende noch selbst, oder lassen sie die KI die Arbeit machen?
Stark: KI ist natürlich ein Thema. Ich habe dazu schon ein Seminar an der Uni Münster gehalten und denke über einen Workshop für Menschen nach, die sonst nicht so viel mit dem Thema zu tun haben. Insgesamt empfinde ich die Debatte als höchst kulturpessimistisch. Viele Schreibberater hatten zu Anfang Angst um ihren Job. Klar ist, dass das Thema uns alle betrifft und wir uns damit befassen müssen. Doch meinen Job sehe ich nicht in Gefahr. Ob die KI überhaupt hilft, hängt sehr vom eigenen Schreibstil ab. Ich selbst zum Beispiel mag nicht vorplanen, aber die KI verlangt sehr viele Vorgaben. Wenn ich die alle mache, kann ich auch selbst schreiben, das ist ja der Teil, der am meisten Spaß bringt.
„Tiefseefische“ schreiben besser unter Druck
Ist es in der Beratung ein Unterschied, ob es um einen Fantasy-Roman, einen Gedichtband oder einen wissenschaftlichen Essay geht?
Stark: Bei meinem Ansatz gibt es keinen Unterschied, es geht mir um den Menschen.
Entsprechend unterschiedlich läuft es. Einigen Leute reicht ein einziger Termin, die müssen nur hören: Ja, es ist okay ist, wie du schreibst. Andere kommen mit einer Frage zum Schreiben, aber dahinter verbirgt sich mehr, so dass sich die Beratung in Richtung einer Therapie entwickelt. Wichtig ist mir, über das Schreiben zu reden, denn das tun wir zu wenig im deutschsprachigen Raum. Für mich gibt es kaum etwas Größeres, als wenn Menschen wieder an sich glauben, und darum geht es beim Schreiben.

Sie selbst schreiben auch, unter anderem einen Blog, und nennen sich selbst einen „Tiefseefisch“, weil Sie am besten unter Druck und auf den letzten Drücker schreiben. Wenn jemand so arbeitet, sollte er versuchen, eine andere Strategie zu lernen, oder als Tiefseefisch glücklich sein?
Stark: Es kann passieren, dass die Methode nicht mehr funktioniert, wenn sich Lebensumstände ändern, zum Beispiel wenn Kinder da sind. Auch bei längeren Projekten geht es nicht auf den letzten Drücker. Da helfen Tricks: Ich hatte mich beim Schreiben meiner Masterarbeit mit einer Freundin verabredet, Texte an einem bestimmten Tag zu liefern, sonst liest sie nicht Korrektur. Aber generell gibt es nicht die eine Strategie, die für alle passt. Der Autor Hanns-Josef Ortheil hat verschiedene Schreibtypen beschrieben, ich würde es heute eher Schreibstrategien nennen, und sie alle sind in Ordnung.