Kulturkeller Husum feiert runden Geburtstag

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Es begann mit einem Paukenschlag und beispielloser Naivität: Vor zehn Jahren, am 15. Juli 2015, lud der gerade gegründete Verein „Kulturkeller Husum“ zum ersten Mal die Öffentlichkeit zu einer Veranstaltung ein. An jenem Abend bestieg Arne Jansen, einer der besten Jazz-Gitarristen Europas, die damals noch unversöhnlich knarrende Bühne unter dem Gewölbe des historischen Braukellers. Aber nicht nur das Knarzen der Holzbohlen, auch das Wetter machte Musikern und Gästen, aber vor allem dem unerfahrenen ehrenamtlichen Betreiber-Team zu schaffen.

Start im Keller mit Jazz, Blitz und Donner

Sommergewitter verwandelten die Katakomben sekundenschnell in eine Tropfsteinhöhle. Schon stand die Frage im Raum, ob das Duo unter diesen Umständen überhaupt würde spielen können. Und es kam noch schlimmer: Weil Jansens Auftritt Teil der Kulturnacht und somit nur ein Programmpunkt unter vielen war, gab es im Keller ein ständiges Kommen und Gehen. Dass das Veranstaltungsteam daran nicht gedacht hatte, war ihr größtes, aber nicht ihr einziges Versäumnis.

Dann aber passierte etwas, was nicht nur zu diesem sperrigen Anfang, sondern auch zur weiteren Entwicklung des Kulturkellers passt. Ein Kollege von Jansen, Rolf Schirdewahn, Gitarrist der Simon & Garfunkel-Coverband „Central Park“, rief in den Saal: „Leute, Ihr habt hier einen der besten Jazz-Musiker Deutschlands auf der Bühne. Also bitte: Zeigt Respekt und haltet die Klappe!“ Schlagartig herrschte Ruhe. Und so wurde der erste Abend am Ende doch noch ein guter.

Pizzaria, Sportsbar, Kulturkeller

Angefangen hatte das Unternehmen ein paar Monate zuvor. Damals stand die Ede-Sörensen-Stiftung (ESS), der die Immobilie im Schlossgang 7 gehört, vor der Frage, wie es weitergehen soll. Die Stiftung hat den Zweck, kulturelle Projekte in Husum zu unterstützen. Dabei halfen die Einnahmen aus der Vermietung des Braukellers. Er hatte in den vergangenen Jahren als Pizzeria und zuletzt als Sportbar gedient. Aber das Lokal wurde geschlossen, damit blieben die Pachteinnahmen aus. Der Keller stand leer, und die ESS geriet in immer ärgere Finanznöte.

Vieles wurde erwogen, etwa im Keller Champignons zu züchten oder das Haus zu verkaufen. Bis eine verrückte Idee die Wende einleitete. Wenn es Stiftungszweck der ESS ist, das Kulturleben Husums zu bereichern, warum „erklären wir den Keller dann nicht zu einem Schauplatz für kulturelle Veranstaltungen und beleben ihn auf diese Weise neu?“, so steht es im Protokoll einer Vorstandssitzung.

Kommt immer wieder gern nach Husum und besonders in den Kulturkeller: Christina Lux. Foto: Otto-von Brocken

Das war allerdings leichter gesagt als getan, denn erstens verfügt(e) Husum bereits über ein weitgefächertes Kulturleben. Und zweitens ziert sich die öffentliche Hand besonders gern, wenn es die Vergabe freiwilliger Leistungen geht. „Außerdem wollten wir keine Konkurrenz zu bestehenden Einrichtungen werden“, denkt der Vorsitzende des Kulturkeller-Vereins, Rüdiger Otto von Brocken, an diesen frühen Spagat zurück. In der Konsequenz hieß das: ohne amtliche Unterstützung und ohne nennenswerten eigenen Etat eine finanzintensive und baulich prekäre Immobilie nicht nur wieder flott machen, sondern auch noch als attraktiven Spielort zu etablieren. „Herkules lässt grüßen“, sagt Otto von Brocken.

Anfangs musste sich das Publikum warm anziehen

Die Anfangsjahre waren denn auch wenig ermutigend. Nach der Gründung des Kulturkeller-Vereins ging eine Handvoll Unverzagter daran, bergeweise Müll abzufahren, notdürftig zu reparieren, was noch notdürftiger als reparabel war, und die an eine lebensmüde Dampfmaschine erinnernde Heizung im Gang zu halten. „Das hat uns viele Gönner gekostet“, erinnert sich Otto von Brocken, „denn zwei Stunden in einer Kältekammer vor sich hin zu schlottern und dafür auch noch Eintritt bezahlen zu müssen, das war einigen dann doch zu viel.“

Die schwedische Band Quilty beim Konzert im Husumer Kulturkeller. Foto Otto von Brocken

In den ersten fünf Jahren war mehr als einmal von „Aufgeben“ die Rede. Schließlich sollen die Betriebskosten für das Gemäuer, so wollte und will es eine Vereinbarung zwischen dem Kulturkeller-Verein und der ESS, vom Keller-Verein bezahlt werden. Die ersten Konzerte spielten aber nicht einmal die Künstler-Gagen ein. Oft mussten Gelder aus dem Getränkeverkauf zugeschossen werden – „unserer einzigen echten Einnahmequelle“, so Otto von Brocken. „Und wenn nach Abzug von Künstlersozialkasse, GEMA und Hotelkosten mal 50 Euro übrigblieben, löste das „kollektiven Freudentaumel“ aus.

Dann kam Corona und drohte dem Projekt endgültig den Garaus zu machen. „Seltsamerweise passierte jedoch das genaue Gegenteil“, sagt der Vereinsvorsitzende Otto von Brocken. Neben den Zuwendungen der Husumer Service-Clubs – von Lions bis Rotary -, „die uns nach Kräften unterstützten und das bis heute tun“, erhielt der Keller immer wieder Spenden. „Die Husumer wissen halt, dass Kultur nicht vom Himmel fällt, sondern viel Arbeit macht“, zitiert Otto von Brocken ein abgewandeltes Bonmot von Karl Valentin.

„Die Husumer wissen halt, dass Kultur nicht vom Himmel fällt, sondern viel Arbeit macht.“

Inzwischen sorgen die Beiträge von mehr als 200 Mitgliedern, unter ihnen der 50-köpfige Keller-Chor unter Leitung von Martje Johannsen, sowie ein erfolgreiches Patenschaftsmodell dafür, dass der Keller trotz Corona und gegen den Trend seit drei Jahren schwarze Zahlen schreibt.

Kulturschaffende sind aktiv dabei

Überschüsse konnten inzwischen in die Substanz reinvestiert werden. So verfügt der Verein über eine hochwertige Musik- und Lichtanlage sowie neue Stühle und Tische. Auch Bühne und Lounge wurden neu gestaltet und die alte Küche in Kooperation mit den Service-Clubs an die Ukraine gespendet. Dank einer Zuwendung der Irene-Thordsen-Stiftung gab es eine neue Heizungsanlage.

War schon zweimal Gast im Kulturkeller: Stefan Gwildis (r.) – hier mit Hagen Kuhr und Tobi Neumann (v. r.). Foto: Otto von Brocken

Doch besonders stolz sind die Kellerkinder darauf, dass viele Kulturschaffende die Eingangsbotschaft verstanden haben und aktiv auf den Keller-Express aufgesprungen sind. Der Kunstverein veranstaltet hier einen Teil seiner Jazz-Konzerte, und auch das Pole-Poppenspäler-Festival oder die Storm-Gesellschaft haben den Keller bereits genutzt, die örtliche Schlossbuchhandlung veranstaltet Lesungen.

Konzerte sind das Highligt im Keller

„Manchmal müssen wir uns wirklich kneifen, wenn wir an das Jahr 2021 zurückdenken, als wir kurz vor dem Aus standen“, erinnert sich Otto von Brocken. Für ihn sind die „wahren Helden des Erfolges unser je nach Veranstaltung wechselndes, aber in Gänze ungemein treues Publikum“. Hinzu kämen „nicht minder treue Paten, Unterstützer und Mitglieder, getragen von einem aktiven Vorstand. Das alles ist unser Keller“, sagt Otto von Brocken.

Zu den Besuchern gehören diese Fans der einstigen Brauerei Fuglsang. Für das Budget des Vereins ist der Getränkeverkauf wichtig. Foto: Otto von Brocken

Doch das Highlight sind und bleiben für alle die Konzerte, die hautnahen Begegnungen mit den Künstlerinnen und Künstlern und das Gefühl, gerade auch in schwierigen Zeiten eine Gemeinschaft zu sein. Das Jubiläum feiert der Verein etwas verspätet mit einem Konzert der Gruppe Hepta Polka am 12. Dezember statt. Bis dahin gibt es noch jede Menge anderer Veranstaltung – mit oder ohne Blitz und Donner.

Transparenz-Hinweis: Unser Autor Rüdiger Otto von Brocken ist freier Journalist, hat diesen Text aber in seiner Funktion als Vorstand des Vereins „Kulturkeller Husum“ geschrieben.






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