Gestern haben wir uns einen Spaziergang angeschaut, der als Drei-Personen-Projekt entstanden ist. Heute geht es um einen Erinnerungsort, an dem mehr als 100 Personen beteiligt waren, initiiert vom Bildhauer Jan Koberstein. Genauso wie dieser Ort durch die Hände vieler Menschen entstanden ist, handelt es sich bei dem Schmoeler Hexenstein nicht wirklich um einen Stein, sondern um ganz viele Ziegel, die zusammen ein Steingewölbe bilden.
Doch diese Geschichte erzählt man am besten chronologisch: Christoph von Rantzau war Gutsherr auf Gut Schmoel (Kreis Plön). 1666 und 1668 führte er dort Hexenprozesse durch. Hintergrund waren auch hier, wie bei Gretje Offen in Bargteheide, Schadenszauber. Eine Beschuldigte, Mette Schlan, gestand unter Folter, durch das Ausstreuen von Mutterkorn habe sie Krankheit unter den Bäuer*innen herbeigeführt.
Der giftige Pilz Mutterkorn
Mutterkorn spielt mindestens eine kleine Rolle bei den Hexenverfolgungen in Europa, denn es löst quasi einen Teufelskreis aus. Es handelt sich dabei um einen Pilz, der aus den Ähren von Getreide herauswächst. Er entsteht vor allem bei Feuchtigkeit – in der Kleinen Eiszeit gab es viel Regen. Er wird vor allem gegessen, wenn man ungereinigtes Getreide zu sich nimmt – durch die vielen Krisen waren die Menschen so arm und hungrig, dass sie alles aßen, was sie kriegen konnten. Und: Mutterkorn ist giftig – es kann unter anderem Halluzinationen auslösen, bei denen man vom Fliegen träumt oder sich verfolgt fühlt, was den bereits bestehenden Hexenglauben verstärken kann.
Hexenprozesse ohne Geständnis und Zeug*innen
Das war Christoph von Rantzau sicherlich nicht bewusst. Er ließ 1686 achtzehn seiner Leibeigenen auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Die ortsansässigen Pastoren versuchten das zu verhindern. Das gelang ihnen nicht, aber einen kleinen juristischen Erfolg konnten sie erzielen: Christoph von Rantzaus Prozesse waren nicht rechtens gewesen, denn es fehlte der Rechtsbeistand, zudem gab es Hinrichtungen ohne ein voriges Geständnis und die Befragung von Zeug*innen. Schon damals gab es ein verpflichtendes Strafrecht – wie ungerecht und grausam es uns auch heute erscheint. Christoph von Rantzau floh aus Angst vor den Konsequenzen seiner Verstöße. Er kehrte nicht mehr nach Holstein zurück.

Auch die Geschichte des Schmoeler Hexensteins ist lang. Sie reicht von der Idee 2011 bis zur Finalisierung des Geländes 2018. Die Idee für die Gedenkstätte kam dem Bildhauer Jan Koberstein, der mit ihr Versöhnung anstrebt und die Erlösung von Täter wie Opfern. Im Jahr 2017 brannte dort eine Woche lang ein Feuer, das die 1.200 handgefertigten Ziegel härtete. Ein Feuer der Freude gegen das Feuer der Zerstörung, das dort 331 Jahre zuvor brannte.
Hier geht es zu den weiteren Beiträgen aus der Reihe:
- Tag eins – Ein Bild: Teufel und Hexe
- Tag zwei – Ein Stück Papier: Zauberspruch in Holzbalken
- Tag drei – Ein Spaziergang: Wer war Gretje Offen?
- Tag fünf – Ein Film: Ein Metjen nahmens Preetzen
- Tag sechs – Eine Puppe: Die Hexen bei Faust
- Tag sieben: Noch ein Bild: Ein Zauberer