Mit der neuen Bundesregierung gilt ein neuer Koalitionsvertrag. Der wird nun überall kommentiert. Was ist neu, was ist umstritten, was fehlt? Das gilt selbstverständlich auch für den Kulturteil. Moment mal, möchte man sagen: Ist die Kultur nicht Ländersache? Was gibt es da zu diskutieren, wo der Bund doch nur subsidiär wirken kann? Die wirkliche Kulturpolitik wird doch in Kiel gemacht, in Potsdam oder in Saarbrücken. Zumal, wenn man sich die Verteilung der Kulturfördergelder ansieht, die Kommunen ganz vorne mit dabei sind. Allein die Bibliotheken und Volkshochschulen, die meisten Theater und Museen sind doch in kommunaler Hand (oder zumindest kommunal gefördert) und bilden das unverzichtbare Rückgrat der kulturellen Infrastruktur. Nicht zuletzt wurde diskutiert, ob nun endlich im Grundgesetz Kultur als Staatsziel festzuhalten sei. Das ist durch den Vertrag nicht erfolgt, und ich finde, das ist gut so. Warum? Viele, die dafür plädiert haben, wünschten sich eine größere Verbindlichkeit. Das ist nachvollziehbar. Ein Staatsziel ist eine grundlegende politische oder rechtliche Vorgabe, die in der Verfassung (oder eben im Grundgesetz) verankert ist und den Staat zu einem bestimmten Handeln verpflichtet. Staatsziele drücken also die zentralen Werte und Prioritäten eines Staates aus und geben eine Richtung für die Gesetzgebung und politische Entscheidungen vor. Ein „Staatsziel Kultur“ wäre damit ausdrücklicher, für mich aber aus zweierlei Hinsicht tautologisch – nämlich substanziell und rechtlich.
Die Förderung von Kunst und Kultur ist in mehreren deutschen Länderverfassungen verankert. In Deutschland liegt die Kulturhoheit bei den Bundesländern, sodass jedes Land eigene Regelungen zur Kulturförderung festlegen kann. Der Freistaat Bayern betont beispielsweise die Förderung von Kunst und Kultur als Staatsaufgabe. Die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen enthält Bestimmungen zur Unterstützung kultureller Einrichtungen und Künstler. Sachsen hebt die Bedeutung von Kunst und Kultur für die Gesellschaft hervor und die Berliner Verfassung verpflichtet das Land zur Förderung kultureller Vielfalt. In Thüringen ist die Förderung von Kunst und Kultur als Staatsziel verankert. Besonders relevant ist dort der Artikel 20, der die Bedeutung von Bildung und Kultur hervorhebt. Die Landesverfassung in Schleswig-Holsteins enthält ebenfalls eine Bestimmung zur Förderung von Kunst und Kultur. Artikel 14 legt fest, dass das Land Schutz und Förderung der Kultur als Staatsziele anerkennt.
Alles in allem muss man konstatieren, dass die Länder (und mit ihnen die Kommunen) die Förderung von Kunst und Kultur durchaus als verbindlich ansehen. Die Verankerung im Grundgesetz wäre eine Doppelung, die es eigentlich nicht braucht, da der Föderalismus mit den kulturellen Eigenheiten in den Ländern funktioniert und spezifische Traditionen und deren Geschichten berücksichtigt. Das kulturelle Erbe lebt dezentral. Nicht zuletzt ist ein „Staatsziel Kultur“ insofern inhaltlich tautologisch, da Kultur die Art und Weise beschreibt und reflektiert, wie wir zusammenleben wollen, eine stetig dynamische Selbstvergewisserung der Gesellschaft. Das heißt, der Staat hat eine Kultur, die sich weiterentwickelt (nicht zuletzt aktuell zum Beispiel durch die digitale Transformation, durch Künstliche Intelligenz), sie findet ihren Ausdruck in der Kunst, in der Geschichte, wie sie in Museen oder Archiven reflektiert und vermittelt wird, in der Reflexion, wie in der bildenden oder darstellenden Kunst oder in der kulturellen Bildung, in Bibliotheken und Volkshochschulen.
Wir werden sehen, wie sich die kulturpolitischen Inhalte des Koalitionsvertrages in den nächsten Jahren umsetzen lassen. Gewiss aber ist, dass wir in Ländern und Kommunen ein aktives kulturelles Leben haben und dass sich das Ziel, Kunst und Kultur zu befördern, in vielen großen und kleinen Initiativen manifestiert und (kultur)politisch auf vielen Ebenen verwirklicht.